ALBATWITCH: If Corporations Are People, Why Don’t They Die?

Man mag manchmal den Eindruck haben, dass Personen, die ein spirituell geprägtes Weltbild haben oder ein Leben führen, in dem Metaphysik keine nur marginale Rolle zukommt, politisch nicht immer besonders scharfsinnig sind. Timothy Renner allerdings, dessen von christlichen und animistischen Ideen geprägte Band Stone Breath im wahrsten Sinne des Wortes die Avantgarde, die Speerspitze des Weird Folk darstellt(e), hatte schon mit seinem mit Brian Magar eingespieltem Albatwitch-Debüt „Only Dead Birds Sing Over the Graves of Fallen Kings“ radikale Kritik an menschlicher Hybris, an naiver Technikgläubigkeit -paradigmatisch am Beispiel des Frackings – geäußert und man hatte den Eindruck, dass die beiden Musiker es für nötig hielten, dieses in verschiedensten Musik(form)en zum Ausdruck zu bringen, ganz so, also solle in einer konzertierten Aktion gezeigt werden, was alles notwendig ist, um sich gegen das Handeln der Eliten zu stellen – eine Vorgehensweise, die auf dem provokant und clever betiteleten Nachfolger weitergeführt wird.

Dabei finden sowohl zwischen den Liedern als auch innerhalb einzelner Stücke Genre-, Grenzüberschreitungen statt. Auf „If Corporations Are People, Why Don’t They Die? “ findet man ein aus Samples und Noise bestehendes Intro („Collateral Dmage“), eine ganze Reihe harscher Crustnummern („A Hand From the Sky“, „Terror Reign“, Freedom Industries, „Fed to the Wolves“, „Israel“), von Samples durchzogenen Feedbacknoise („Corporate Personhood“), mit „Corporate Corpse“ und „Red, White And Blindfolded“ Folkstücke, die auch auf einem der in den vergangenen Jahren veröffentlichten Stone Breath-Alben nicht deplatziert gewesen wären; das einminütige „The Lost And The Unfound“ klingt mit seiner kargen Perkussion und orientalischer Flöte ganz so, als hätten Stone Breath und Crow Tongue zusammen ein Stück eingespielt. „Pin“ kombiniert Renners so typisches Banjospiel mit verzerrter E-Gitarre, seinen dunklen Bariton mit Magars Keifen, das den einen oder anderen Schwarzmetaller locker in seine Schranken weist (dass Brian Magar nicht nur bei den Doomern von Layr spielt, sondern sich wahrscheinlich unter dem Projektnamen Denier auf den Pfaden Xasthurs bewegt, passt da gut). Auch auf dem spärlich instrumentierten „Mirror Tower“ ergänzen sich beide Stimmen gerade wegen des scharfen Kontrasts. Auf dem kurzen „Rattlesnake In The Rabbit’s Den“ wird Renners Gesang von E-Gitarren untermalt, das treibende „Support the Troops“ ist ein Metal/Folk-Hybrid mit Ohrwurmcharakter, das neunminütige „Monuments“ wird von düster-getragenen Harmoniumdrones und harschen Gitarren durchzogen. Und diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen, schließlich enthält das Album insgesamt 18 Stücke.

Was beim Lesen vielleicht den Eindruck erweckt, hier werde krampfhaft versucht, scheinbar disparate Genres miteinader zu verknüpfen, dem sei gesagt, dass dieses Album musikalisch durchgängig funktioniert. Eine kleine Einschränkung kann man vielleicht bei den Texten machen, denn bei Musik, die engagiert ist und (dadurch bedingt)  einen gewissen appellativen Charakter hat, wird die Botschaft oft etwas direkt vermittelt und es besteht  die Gefahr der Reduktion von Komplexität auf Slogans. Zeilen wie diese aus der „Stars and Stripes“-Absage „Red, White And Blindfolded“ klingen dann auch etwas nach Platitüde (unabhängig von der Richtigkeit des Gesagten): „Go to war for their bottom line./Laws not love are your ties that bind,/Written by men who will never fight/But send the poor uncaring of their plight.“ Etwas, das in „Monuments“ wieder aufgegriffen wird: „See the generals upon their great mounts,/Looking solemn and pompous and proud,/ But let us not forget the bleak truth:/Wealthy men making pawns of the youth.“ Allerdings kann man darüber hinwegsehen, denn dass bei diesem wütenden, teils aggressivem Album die Poesie etwas verloren geht, ist der Thematik geschuldet und in Kombination mit der Musik funktionieren oben zitierte Zeilen dann auch dennoch hervorragend. (M.G.)

Label: Hand/Eye