Das in Ghana populäre Kologo ist ein sehr altes Instrument, hat etliche Verwandte in weiteren westafrikanischen Ländern und gilt als einer der Vorläufer des amerikanischen Banjo. Zwei Saiten über einen mit Ziegenfell bespannten Resonanzkörper gespannt erzeugen einen hellen und zugleich erdigen Klang und brachten seit Jahrhunderten lokale Musiker dazu, den fast unvermeidlichen Minimalismus in etwas Hypnotisches zu sublimieren. Seit ein paar Jahren erfreut sich das Instrument einer neuen Beliebtheit und ist geradewegs dabei zu einem Pop-Phänomen zu werden.
Im Zeitalter moderner Popkultur versteht man unter Kologo mittlerweile auch ein Musikgenre, das v.a. in der Nordost-Provinz Ghanas längst zu einem allgemein bekannten Kulturgut geworden ist, und – sicher nicht ganz unbeeinflusst von außer-afrikanischen Vorstellungen des Personenkultes – echte Stars hervorgebracht hat. Einer von ihnen, der hier bereits vorgestellte King Ayisoba, hat den gar nicht mal so utopischen Traum, die Herzen der Menschen grenzübergreifend für Kologomusik zu gewinnen, ähnlich wie es seinerzeit Bob Marley für den Reggae geschafft hat. Ich will an der Stelle nicht für ihn nach den Sternen greifen, doch die vorliegende von Arnold de Boer kuratierte Compilation könnte ein ordentlicher Schritt in die richtige Richtung sein.
De Boer hat während seiner Besuche in Ghana an die hundert Kologo-Spieler kennen gelernt und nennt die zehn Beiträge die Spitze eines Eisbergs. Es sind – auch und gerade für alle, die die teilweise in Frafra und Pidgin-English verfassten Texte nicht verstehen und wenig über die typischen lokalen Themen wissen – ein kleiner, aber durchaus lohnender Einblick in eine reichhaltige Bewegung.
Sucht man nach einem gemeinsamen Nenner der zehn Songs, dann findet man ihn vielleicht am ehesten in der hypnotischen Aura der Tonfolgen, die sich – unabhängig davon, ob der Gesang nur von der Kologo begleitet wird, oder ein ganzes Ensemble an akustischen (dies war Bedingung) Instrumenten beteiligt ist – aus den minimalen, repetitiven Mustern ergibt. Dies wird nicht immer so radikal eingehalten wie in dem Beitrag von Ayuune Sule, dessen Minimalismus etwas beschwörendes bekommt und endlos so weiter gehen könnte. Bei Amoru gerät dieses Schema etwas brüchiger, Agongo baut es zu einem polyrythmischen Irrgarten aus und erzeugt eine irritierende Spannung zwischen Dynamik und Stillstand. Asaa Naho webt feine Muster als Teppich für mehrstimmigen Gesang.
Was ebenfalls verbindet und zugleich die Brücke zu anderen afrikanischen Kulturen schlägt ist der Hang zum Protestsong – ein Songtyp, der hier allerdings mit einer unvergleichlichen Heiterkeit einhergeht, wie sie europäischen Formen von Unzufriedenheit weitgehend fremd ist. King Ayisoba demonstriert dies gleich dreimal: Im eröffnenden „Africa“ in gelöster Form mit Drums und einer zwitschernden Flöte, im finalen „Nerba“ als polternder, karnevalesker Knüppelzug, am meisten politisch vielleicht als Gastsänger bei seinem Kollegen Atamina, wo er zu einem Rundumschlag gegen Kommentatoren aus der ersten Welt ausholt, die sich um ihre eigenen Probleme kümmern sollen. Neben Bernasko und dem vielleicht poppigsten Beitrag von Atimbila geht ein weiteres Blaublut, Prince Buju, in diese Richtung: Mit heißerer Stimme und Saitengerassel schreit und spielt er sich in „Afashee“ die Verzweiflung aus der Seele.
Garantiert gibt es ein potentiellen internationales Publikum für diese Musik, und zu gönnen ist das den Musikern allemal. Viele Frgen stehen derzeit noch im Raum – nach dem Selbstverständnis der Kologo-Spieler zwischen Tradition und Pop, nach den Themen der Songs, ob es Mischformen mit bspw. Elektronischer Musik gibt, ob Kologo eigentlich eine reine Männerdomäne ist u.s.w. Vielleicht wäre es Zeit für ein Gespräch mit King Ayisoba oder Arnold de Boer. (U.S.)
Label: Makkum Records/Red Wig/Sahel Sounds