Hinter dem Namen Hatsune Kaidan versteckt sich eine Kollaboration zwischen Musikern der Noiseband Hijokaidan und der Sängerin Miku Hatsune. An dieser Stelle darf man ergänzen, dass Hatsune keine gewöhnliche Sängerin ist, sondern eine Kollegin von France Galles „Poupée de Sire“, vulgo: ein singender Synthesizer, der nur bei Auftritten von diversen playback agierenden Schauspielerinnen verkörpert wird. Was den Echtheitseffekt betrifft, kann man Hatsunes Gesang mit der optischen Wirkung der in Japan beliebten androiden Hostessen vergleichen: So wie diese bei genauerem Hinsehen recht schnell als Roboter erkennbar sind, bei etwas Abstand oder Ablenkung jedoch das Auge täuschen können, steht und fällt die Illusion hier mit dem Grad an Chaos und Geräuschpegel der übrigen elektronischen Klangquellen.
Dass von all dem – also vom Geräuschpegel und klanglichem Chaos – reichlich vorhanden ist, lässt schon der Hijokaidan-Hintergrund vermuten, doch für die Verhältnisse klingt „Noisy Killer“ vorsichtig gesprochen recht poppig. Nach dem Projekt BiS Kaidan, einem ersten Ausflug der Hijokaidan-Leute in den noch etwas punkigeren Idol-Pop zusammen mit der Mädchenband Brand New Idol Society, werden hier durchweg Coverversionen populärer japanischer Songs präsentiert. Gemein ist diesen ein mädchenhafter Gesang, der auch in den Originalversionen die Kitschgrenze oft weit überschreitet.
Die CD beginnt mit einer eigenwilligen Interpretation von „Urami Bushi“ der aus Filmen wie „Lady Snowblood“ und „Kill Bill I & II“ bekannten Sängerin Kaji Meiko. Während der Gesang – abzuüglich der leicht holzschnitthaften Roboterstimme – dem Original recht nah kommt, ist von dem 70s-Sound a la Charles Aznavour kaum mehr etwas übrig, stattdessen schrille, ungeordnete Synthiesounds, deren Partikel einem wie Konfetti um die Ohren fliegen. Die restlichen Songs sind fast alle jüngeren Datums, verbraten werden Idol- und J-Pop-Sternchen wie das Trio Perfume mit „Electro World“, des weiteren Titelsongs populärer Anime-Filme. Einige der Tracktitel werden leicht verändert, was die spöttische-parodistische Herangehensweise nur untermauert, in der der penetrante Bubblegum-Gesang und der ebenfalls oft aus den Originalen übernommene Keyboard-Kitsch mit nervigen Automatensounds und allerlei Rattern und Knattern (fast) übertönt wird.
Trotz alledem: Wer Jojo Hiroshige und seine nur zum Teil menschliche Truppe hier zu Kritikern einer technoiden Kunstwelt erklären will, der kann die Band gleich mit der „Dialektik der Aufklärung“ erschlagen – das hätten sie für Kaji Meiko-Bashing dann auch verdient. Hatsune Kaidan sind aber mit einer Menge an Spaß unterwegs, und lassen an allen Ecken und Enden in „Jetzt erstrecht“-Manier eine Liebe zum Kitsch durchscheinen, die am ehesten dann überzeugt, wenn Krach und Girliepop nach alter NON-Art eine perfekte Einheit bilden. (U.S.)
Label: Alchemy Records / Specific