ANEMONE TUBE / POST SCRIPTVM: Litaniae Mortuorum Discordantes

Anemone Tube und Post Scriptvm verbindet einiges, z. B. die Arbeit mit obskuren, oft stark verfremdeten Field Recordings und ein Händchen für dunkle imaginäre Räume. Entwirft der deutsche Musiker Anemone Tube weiträumige Landschaften, so habe ich bei Post Scriptvm immer die Assoziation eines verwinkelten, labyrinthartigen Gebäudes von kaum einschätzbarer Größe. Post Scriptvm scheinen stark von den klassischen Avantgarde-Bewegungen des 20. Jahrhunderts inspiriert, ihre sorgsam dosierte Kulturkritik ist philosophischer Art. Anemone Tube lässt ein Interesse an der Dekadenz erahnen, ebenso Weiterlesen

UNITED BIBLE STUDIES: I Am Full Gibbous

Seit Anfang der 00er Jahre sind United Bible Studies, ein loses Kollektiv, das auf zahlreichen Veröffentlichungen an der Schnittstelle von Folk, Improvisation und Experiment gearbeitet hat, aktiv, wobei der experimentelle Teil in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen hat. Das auf Hand/Eye veröffentlichte „I Am Full Gibbous“ besteht aus drei langen Tracks, die bei einem Auftritt der Gruppe 2008 in Detroit und 2009 in Irland aufgenommen wurden. Weiterlesen

THE LAST SHADOW PUPPETS: The Dream Synopsis EP

Als Ende des letzten Jahrzehnts die Welle der vielen Pseudogaragenbands mit den bestimmten Artikel im Namen so langsam abebbte, erschienen im Umfeld der Arctic Monkeys plötzlich The Last Shadow Puppets mit einer doppelbödigen Antwort dazu auf der Bildfläche. Ihre Songs strotzden vor Esprit und versprühten einen eleganten Sixties-Charme, der so noch nicht wiederbelebt wurde. Was ein Indie- und Hypemuffel wie mich anfixte, war die melancholisch eingefärbte Euphorie von Songs wie Weiterlesen

MAI MAI MAI: Phi

Vor Jahren hob Toni Cutrone, der bislang in diversen noisigen Rockformationen spielte, sein Soloprojekt aus der Taufe und beglückte die Musikwelt als Mai Mai Mai mit der „Mediterranean Trilogy“, die die Frühzeit des griechisch-römischen Kulturkreises als maritime Lebenswelt erforschte. Teil dieses archaischen Symbolkosmos war ein zwischen rhythmischem Lärm und retrolastiger Elektronik verorteter Sound, der dem südlichen Setting einen kühlen, aquatischen Beigeschmack verpasste. Nach „Tetra“ und „Delta“ erschien noch Weiterlesen

RESINA: s/t

Der Name Resina, den die in der Nähe von Danzig geborene Cellistin Karolina Rec für ihr Musikprojekt gewählt hat, basiert auf dem lateinischen resin, was ein Extrakt aus dem Harz bestimmter Bäume bezeichnet. Auf eine gewisse Art passt das ganz gut zu dem naturbelassenen, spontanen Charakter ihrer Kompositionen. Doch Harz tritt bekanntlich bei einer Verwundung der oberen Holzschichten hervor, weswegen man es etwas poetisch auch gerne als das geronnene Blut der Bäume bezeichnet. Vielleicht passt es daher auch ganz gut zu Weiterlesen

COMANDO SUZIE: Principios Y Salidas

Ganz sicher gibt es einige gute Electro- oder Synth Pop-Alben, aber meist gehen diese Sachen unbemerkt an uns vorbei, schlicht aufgrund anderer musikalischer Schwerpunkte. Manchmal jedoch will es der Zufall oder das Schicksal, dass uns doch noch eine echte Ausnahmeband aus dieser Sparte erreicht, und ein Faktor, der dazu führen kann, ist die personelle Verbandelung zu stilistisch anders gelagerten Musikern. Comando Suzie aus Barcelona, die bereits Alben auf Punch Records und dem Madrider Autoreverse-Label herausbrachten, bewegen sich im von uns aus betrachtet nach wie vor obskuren Weiterlesen

V.A.: DRONE-MIND // MIND-DRONE Vol. 5

Auf diesen Seiten sind schon mehrfach die Veröffentlichungen der “Drone-Mind/Mind-Drone”-Reihe besprochen worden, die es sich u.a. zum Ziel gesetzt hat, Drones aus verschiedensten Teilen der Welt zu präsentieren. Dabei ist der Ansatz eine Betonung geographischer Diversizität, bei der aber gleichzeitig die Verbundenheit mit- und untereinander herausgestellt wird: „DRONEMIND and MIND-DRONE build a circle of diverse interrelations.The Drone as a metaphor for everything that vibrates, that releases energy – from atoms and elementary particles to the hum of Weiterlesen

MARTA DE PASCALIS: Anzar

Marta de Pascalis, die aus Rom stammende und heute in Berlin lebende Soundkünstlerin, ist schon seit beinahe zehn Jahren aktiv, hat sich aber mit Veröffentlichungen bisher eher zurückgehalten. In ihren zahlreichen Performances, die früher auch unter dem Pseudonym Maesia stattfanden, verbinden sich analoge und digitale Klangquellen, Synthesizer und Tapes, Polyrhythmen und vielschichtige, gerne auch vom Zufall generierte Klangkollagen zu feinsinnig gestalteten Soundscapes, die nicht ganz zu Unrecht mit der soganannten Weiterlesen

HEART BEAT EAR DRUM. A Film About Z’ev. Directed by Ellen Zweig

Die Feststellung, dass eine Musik auf Platte oder im Livekontext ein ganz unterschiedliches Erlebnis bietet, ist je nach Beispiel von unterschiedlicher Relevanz. Von Stefan Joel Weiser alias Z’ev gibt es großartige Platten, und doch hat man von seiner Musik nur ein marginales Abbild rezipiert, wenn man sie nur in Zimmerlautstärke und ohne die räumlichen und visuellen Komponenten hört. Dass es dem Perkussionisten seit jeher nicht nur um den Klang seiner in der Mehrzahl metallenen Objekte geht, sondern auch um den Anblick der oft raumgreifenden Gegenstände selbst, ist eine der wesentlichen Aussagen, die der Amerikaner in “Heart Beat Ear Drum” macht, einer Weiterlesen

STARCLUSTER AND MARC ALMOND: Silver City Ride

Unberechenbar ist er, dieser Mann, der in den Hochzeiten des New Wave die Popmusik um eine frische, romantische Note bereicherte, der mit seiner damaligen Band einen Song coverte, der daraufhin so berühmt wurde, dass er unzählige weitere Versionen nach sich zog – Marc Almond, einziger Popstar des England’s Hidden Reverse, der über die Jahre vom glamourösen Coverstar zum schwermütigen Torch Singer mutierte und seinen Mojo Avard vielleicht auch ein bisschen für seine Unverwüstlichkeit bekam – damit ist nicht nur gemeint, dass er seine Karriere so manchen Widrigkeiten zum Trotz nie aufgegeben hat, sondern auch Weiterlesen

GOAT: Requiem

Einige wenige westliche Musiker schaffen es, sich traditionelle Musik fremder Länder anzueignen und auf eigene Art zu interpretieren, ohne dabei in die Exotismusfalle zu tappen. Bei vielen anderen schnappt sie schon nach wenigen Schritten zu. Ganz selten schafft es jemand, alle Klischees so sehr zu bedienen, dass es schon wieder Spaß macht. Die schwedischen Goat zählen dazu, und sie machen das Ganze auch noch musikalisch sehr gut. Weiterlesen

KEIKO SHICHIJO: Komitas Vardapet (Six Dances)

Komitas war der zweite Taufname des armenischen Komponisten Soghomon Soghomonyan, der 1869 im anatolischen Kütahya zur Welt kam. Als Waise kam er mit elf Jahren in die Obhut eines Priesters, der dem musikalisch begabten Jungen sowohl eine geistliche als auch eine musikalische Laufbahn nahelegte. Mit knapp zwanzig Jahren war er ordinierte Priester (sein Titel “Vardapet” bedeutet wörtlich “Gelehrter”) der Armenisch-Apostolischen Kirche, kurze Zeit später leitete er einen Chor und ein Ensemble für alte armenische Musik. Weiterlesen