Schon das vergangene Jahr veröffentlichte Stone Breath-Album „Cryptids“ spiegelte Tinothy Renners Interesse an scheinbar Unerklärlichem, an Kryptozoologie wider. Nach seiner Abhandlung über Seltsames in Pennsylvania namens Beyond the Seventh Gate hat er kürzlich ein Buch über Bigfoot veröffentlicht und macht seit einiger Zeit einen Podcast, in dem es um ähnliche Phänomene geht.
In der limitierten Auflage des neuen Albums finden sich neben den Songtexten auch zwei Essays. Renner selbst berichtet aus seiner Kindheit, schreibt über seine Erlebnisse mit dem titelgebenden „Witch Tree“ und spricht an, dass die Gegend um den Baum, an dem wahrscheinlich nie eine Hexe aufgehängt wurde, (vielleicht) durch die Gedanken der Menschen zu einem Ort des Unheimlichen wurde – er spricht von „thought-forms“, die eventuell manifest geworden seien, etwas das in dem Essay von David Weatherly aufgegriffen wird, wenn dieser über Tulpas schreibt. Wie auch immer der Hörer diesen Gedanken gegenübersteht – der Verfasser dieser Zeilen muss bei so etwas eher an eine der berüchtigsten Szenen aus einem Cronenberg-Film denken -, so ist das neue von Renner, Prydwyn und dem Neuzugang Kira eingespielte Album, das in der Besetzung also fast an „Children of Hum“ anknüpft, ein kohärentes, von mehrstimmigem Gesang, der von Flöte, Akustikgitarre (etwa „One Year and One Day“, “Mother Rust”, „Whispers in the Wood“), Banjo ( “Old Bones”, “Mother Grave”, “My Offering”) und Drones („Reflections in a Sacred Well“) untermalt wird, geprägtes Album geworden, auf dem sich ein paar Neueinspielungen älterer Stücke finden: “The Heart and Star of Sacred Memory”, “Blood of the Woven Wine” (ursprünglich auf “”Laterna Lucis Viriditatis”), das Abolitionistenstück “Wake Nicodemus” hat Renner schon zweimal interpretiert (als Crow Tongue und auf seinem Soloalbum ““Every Fallen Leaf an Angel’s Wing”), “Beyond the Seventh Gate” (ursprünglich auf der “Fire Beyond the Seventh Gate”-EP ) und “Mother Rust” (von “The Flight and Fate of the Horsemen”). Alle passen aber in ihren teils leicht, teils stark veränderten Versionen musikalisch wie textlich-metaphorisch zu den anderen Stücken.
Auf “The Curse of Saint Natalis” wird aus der aus der Sicht des in einen Werwolf verwandelten Mannes das Leid des Transformierten beschrieben: “For seven long years/In this wolf pelt to roam;/Cast like a leper/All from my family and home.” Es geht um Zaubersprüche (“The Heart and Star of Sacred Memory”) oder den titelgebenden Hexenbaum (“Whispers in the Wood”). Die Zeilen aus dem das Album abschließenden “Witch Tree Prophetess” („Wandering not lost,/We walk through wild flowers,/Me and my brother,/Listening for hours/To songs of rain showers“) lassen sich ebenso wie “My Offering” (“Hear my banjo ring/And this song I sing/Is my offering-/And it’s all I can give.”) als Verweis auf das gesamte Werk Stone Breaths lesen.
Wahrscheinlich ließe sich das Album problemlos in die momentan so angesagte (nicht immer ganz trennscharfe) Kategorie des Folk Horrors einordnen – wenn dann das Werk Stone Breaths dazu nicht viel zu zeitlos wäre. (MG)
Label: Hand/Eye