FATHER MURPHY: Rising

In dem Interview, dass wir vor ein paar Jahren mit der italienischen Okkultband Father Murphy führten, bezeichneten sie ihre Musik als Ausdruck einer Auseinandersetzung mit ihrem katholischen Erbe und dem damit verbundenen Konzept von Schuld. Was die Geschichte dieses Motivs angeht, kann man im Laufe der Jahre eine deutliche Steigerung erkennen: Spielten solche Fragen in den frühen Noiserock-Alben des damaligen Trios eher latent eine Rolle, rückten sie mit der Zeit immer deutlicher ins Zentrum, mehr denn je in den als „Trilogy of the Cross“ bezeichneten Veröffentlichungen um das Album „Croce“.

Angesichts dieser Vorgeschichte ist die musikalische Hinwendung zum Liturgischen konsequent – gemessen daran, wie umfassend sie diese Themenkomplexe in den vergangenen Jahren beackert haben dann auch die Inanspruchnahme der Gattung des Requiems für „Rising“, die aktuelle LP der verbliebenen Mitglieder Freddy Murphy und Chiara Lee, und die Entscheidung, mit diesem Werk den Kulminations- und Endpunkt ihrer Laufbahn als Band zu markieren.

Üblicherweise nimmt man es Musikern übel, wenn sie ein Album oder eine Tour als „abschließend“ ankündigen, man vermutet aufmerksamkeitsheischendes Kalkül, doch Father Murphy, die ihre eigene Totenmesse mit dem Sound gesampleter Maden und einem einsamen Glockenschlag enden lassen, nimmt man ihre Ankündigung dann doch ab. Aber von vorn, denn auch der Auftakt startet mit mysteriösen Field Recordings, gepaart mit kreisendem, tribal anmutendem Dröhnen, das direkt in das „Kyrie Eleison“ überleitet.

Ob den einzelnen songartigen Abschnitten Drones oder bis zum Lärm verfremdete Samples zugrunde liegen, ob sie eine schwermütige Trauer verraten oder dem Kampf der Verzweiflung eine Stimme geben, fast immer erweckt ein dumpfer, verrauschter oder zittriger Klang den Eindruck, einem Erlöschen beizuwohnen. Die langgezogenen Dronesounds, die Orgel und Bass entstammen, manchmal auch nach Harmonium oder Streichern klingen, zeigen stets eine gewisse impressionistische Verschwommenheit. Diverse Stimmen, meist der klare Gesang Chiaras, der mehr als zuvor im Vordergrund steht, kommen wie aus den Lautsprechern eines Grammophons oder Kassettenrekorders herübergeweht.

Ein starker Wille zur intensitätssteigernden Verfremdung ist hier ebenso herauszuhören wie die frühe Sozialisation der beiden mit Kirchenmusik. Beides spürt man deutlich in den z.T. langen, repetitiven Memento Mori-Stücken und den feurigen Interludien aufpeitschenden Prasselns. Mit Nachlässigkeit und spontaner Improvisation darf man aber die rauschende, bisweilen eiernde Gestalt der Klänge nicht verwechseln, denn Father Murphy halten sich in den meisten Stücken, auch wenn ihr Instrumentarium nur partiell klassisch ist, an Metrik und andere Strukturvorgaben der Requiem-Gattung und ihrer Texte.

Besonders morbide Momente finden sich zwangsläufig in der Totenklage einer allgemein als düster verstandenen Band auf sich selbst, aber es ist weniger das monotone rituelle Pochen und die aufwühlenden Detonationen, auch nicht das dunkle Bassknarren oder dumpfes Mormeln. Viel beeindruckender noch ist, dass Chiaras Gesang, der sich hier und da um Federicos Stimme windet, oft aber allein das Zentrum ausfüllt, Melodien hervorbringt, die an sanfte Schlaflieder (und dabei auch ein bisschen an Rose MacDowall) erinnern.

Nachdem Father Murphy nun zu Grabe getragen wurde, bleibt abzuwarten, in welcher Weise seine Kinder Chiara und Freddy in Zukunft von sich reden machen werden. Unzweifelhaft erscheint mir, dass dies in irgend einer Form stattfinden wird. (U.S.)

Label: Ramp Local / Avant! Records