Für die deutsch-israelische Künstlerin Daniela Orvin waren Ortswechsel lange ein normaler Teil ihres Lebens. Geboren in Berlin führten Familienumzüge und später Studienaufenthalte sie an verschiedene Orte in Israel, England und Deutschland, heute lebt sie dann auch wieder in Berlin. Seit vielen Jahren beackert sie mit Malerei, Klavierspiel und elektronischer Musik zudem mehr als nur ein kreatives Feld, was vielleicht ebenso zu einem Gefühl beiträgt, eher zwischen den Orten zu leben.
In den letzten Jahren hat sich nach eigener Aussage immer stärker eine Veränderung abgezeichnet, denn nach all den wechselvollen Aktivitäten scheint die Musik immer mehr zu ihrem eigentlichen Zuhause geworden zu sein. Dass ihr vor kurzem erschienenes Album “Home” heißt und vorwiegend versöhnliche Töne anschlägt, wirkt da nur angemessen. Dass die Stücke aber auch nicht ausschließlich auf heimelige Stimmungen setzen, sondern auch der Spannung und gelegentlichen Unaufgeräumtheiten ihren Raum zugestehen, straft jeden Eindruck von Eskapismus lügen und macht als Garant für Unvorhersehbarkeit einen großen Reiz des Albums aus.
Nicht dass man es unbedingt müsste, aber es wäre ziemlich schwierig, die Musik auf “Home” einer bestimmten Kategorie zuzuordnen. Minimal Music? Sanfte, oft zurückgenommene Tonfolgen auf dem Piano, die repetitiven Mustern folgen und sich oft nur dezent und nahezu unbemerkt in ihrer Melodik verändern, erinnern bisweilen an die eingängigen Kompositionen von Michael Nyman oder Philip Glass. Ambient? Synthieflächen, schön gestaltet und glasklar, fügen sich manchmal nahtlos in das Klavierspiel und ersetzen es an anderer Stelle, in besonderen Momenten wachsen sie mit viel Hall unterlegt zu orchestraler Wucht an. Pop? Eine dauerpräsente Leerstelle auf “Home”, denn dieser wird immer wieder gestreift, von einprägsamen Melodien und netten Soundarrangements, und doch bleiben die Stücke immer nur auf Songbausteinen basierende Soundscapes.
Was auf den ersten Blick weder nach Fleisch noch nach Fisch klingt, ist in Wirklichkeit ein feinsinniges Gemisch an Komponenten, die das Gefühl des Zuhauseseins in all seiner fragilen Beständigkeit wunderbar illustrieren. Dazu gehören nette Melodien, zwitschernde Vögel, Meeresrauschen und anheimelnde Songtitel, die Worte wie “From My Balcony” enthalten, ebenso sehr wie Elemente der Spannung mit großem Realitseffekt: Zischelnde Becken und Momente der Statik, bei denen man sich fragt, wie es weitergeht, und die jeder allzu netten Langeweile einen Riegel vorschieben, atonale Interludien auf den tiefen Klaviertasten, beinahe aufschreckendes klirren der hohen Töne, gut dosierte Atonalität mittels Dröhnen und Schaben. Monotonie kommt kaum auf, und das ist bei einer Musik, die auch mit repetitiven Mustern arbeitet, durchaus von Belang. (U.S.)
Label: Seasides on Postcards