THE DOOMED BIRD OF PROVIDENCE: Rumbling Clouds of War Hover over Us

Mark Kluzek stammt aus Australien, ging aber nach der Jahrtausendwende nach England und gründete dort mit Freunden die Band The Doomed Bird of Providence, deren pastoraler, oft kammermusikalischer Folkstil ein ganz eigenes Terrain für sich beanspruchen darf, das sich an einigen Stellen mit Prog- oder Postrock überlappt. In ihren bisher drei Alben und diversen kleineren Veröffentlichungen setzten sie sich mit den vielfältigen Aspekten der angloaustralischen Kolonialgeschichte auseinander und betrieben so auf unterschiedliche Art Geisterarbeit.

Stets war ihr Fokus auf unterschlagene, beinahe vergesse Details der Zeit gerichtet, Dinge, die sie aus ihrer untoten Randständigkeit hervorholten und und so in Ruhe vergangen sein ließen: untypische Einzelschicksale in einer Gesellschaft von Gestrandeten, die zwischen Strafkolonie und Landwirtschaft, zwischen Endstation und Aufbruch, zwischen Rassismus, Hoffnungslosigkeit und einer fragilen Ethik ihren Weg sucht. Etwas Geisterhaftes im besten Sinne hat aber auch ihre Musik, die meist mit eher abstrakten, stimmungsmäßigen Mitteln arbeitet und den jeweiligen thematischen Rahmen oft durch liturgisch anmutenden Gesang oder durch kürzere Begleittexte mitliefert, beides oft historischen Abhandlungen oder literarischen Zeugnissen entnommen. Die so angeschnittenen Themen werden wirkungvoll in eine Atmosphäre getaucht, die die angedeuteten Ereignisse erlebbar macht. Nur gelegentlich bricht ein klassisches Songelement durch, dessen Sea Shanty-Gesang die Worte unmittelbarer fließen lässt.

Die EP “Rumbling Clouds of War Hover over Us”, die vor einigen Monaten auf Simon Finns 10 To 1 Records herauskam, ist rein instrumental gehalten und erzählt/illustriert in vier dichten, v.a. auf Streichern, Holzbläsern und Piano basierenden Miniaturen die Geschichte von Kluzeks Großvater, die sich – dies ein Novum – einige Generationen nach der kolonialen Epoche abspielte. Władysław Kluzek floh im Zweiten Weltkrieg vor den deutschen Invasoren aus Polen, machte in mehreren europäischen Ländern Station und fand letztlich in Australien ein neues Zuhause und eine ungewisse Zukunft.

Gefahr, Trauer, Verlorenheit, Ungewissheit, aber das Ganze eingebettet in eine liebevoll erzählte Geschichte – auf diese Art scheint einen der Stoff präsentiert, wenn man Thema, Covermotiv und Musik im Zusammenhang betrachtet. Die mollastigen Pianoparts und der später dazukommende Kammerorchester-Sound inklusive Glockenspiel im eröffnenden Titelsong dürften niemand unberührt lassen, was sicher nicht zuletzt den im Grunde einfachen Tonfolgen im beschaulichen Walzertakt geschuldet ist. All dies steigert sich zunächst im weiteren Verlauf, “You Never Became Used to Death” und “Constant Moving Stream” bestechen v.a. durch ihre wehmütige Stimmung, die aller Intensität zum Trotz niemandem zuleibe rücken. Vielmehr wird eine bescheidene Beiläufigkeit gewahrt, weswegen man dann auch bereitwillig mitgeht, wenn das Tempo und die Dramatik irgendwann anziehen und bewusst machen, dass hier kein harmloses Märchen erzählt wird. Dies macht den etwas leichteren und verspielteren Abschluss in “But Something What I Aim For” umso glaubwürdiger.

Die vier Tracks auf der EP würden zusammen in eine der ausladenden Kompositionen des letzten Albums passen und sollten als Einheit verstanden werden, denn gerade in emotionaler Hinsicht ist Kontinuität deutlich greifbar. The Wire bezeichnete die Musik als “somewhere between A Silver Mt Zion and Yann Tiersen”, mir würde gerade für die vorliegende EP als Referenz eher The Revolutionary Army of the Infant Jesus oder auch Current 93 zu der Zeit einfallen, als das Klavierspiel Maja Elliots und John Contreras’ Cello den Sound maßgeblich prägten. Da auch Joolie Wood gelegentlich im Doomed Bird-Lineup auftaucht scheint mir dieser Vergleich sogar noch naheliegender.(U.S.)

Label: 10 To 1 Records