TRONDHEIM VOICES: Folklore

Der ungewöhnliche Chor, der sich Trondheim Voices nennt, ist unseren Lesern wahrscheinlich spätestens seit der in der Berliner Gedächtniskirche mitgeschnittenen Performance “Rooms and Rituals” zusammen mit Asle Karstad bekannt. Dort nutzten die zehn Sängerinnen mit ihren Kontaktmikros, Loopgeräten und weiterem Equipment den Raum, in dem sie ständig die Position wechselten und schafften somit ein raumklangliches Erlebnis, dass nur dort in dieser Form entstehen konnte. Das nicht alles auf den ersten Eindruck nach der menschlichen Stimme klingt, ist eines ihrer Markenzeichen.

Das auf einer Live-Performance basierende “Folklore”, dessen Titel noch durch den Zusatz “traditional customs, tales, sayings, dances, or art forms preserved among a people” erklärt wird, wurde dem diesmal neunköpfigen Chor von den beiden Klangkunst-Komponisten Ståle Storløkken und Helge Sten, die in der Vergangenheit in der Gruppe Supersilent spielten, quasi auf den Leib geschrieben. Sucht man einen roten Faden durch die dreizehn Kompositionen, dann scheint der sich über das Infragestellen von Grenzen verschiedener Art zu drehen, denn schon die titelgebende Folklore erschöpft sich kaum in einem Blick in die Vergangenheit, sondern gibt der auf Stimme und Perkussion basierenden Musik mittels technischer Bearbeitung und progressiven musikalischen Mitteln ein eher in die Zukunft schauendes Gesicht.

Anfangs zeigt sich die Musik als stilisierter rhythmischer Harmoniegesang von repetitiver Struktur, mehrstimmige drone-artige Passagen folgen, doch der vordergründige Minimalismus trügt. Erst mit der Zeit steigern sich die Stücke jeweils in Tempo und Fülle, neue Schichten kommen hinzu, und die Technik des Gesangs zeigt eine beeindruckende Vielfältigkeit. Klarer, traditionell anmutender Gesang mit lautmalerischen Texten tritt mit Sounds jenseits des vokal klingenden in interessante Dialoge, was ebenso starke Spannungen erzeugt wie die Wechsel der Stimmungen. Passagen von etherischer Weltentrücktheit gehen nicht nahtlos und dennoch unberechenbar in kraftvolle, heroisch anmutende Episoden über.

Die Ambiguität dieser wechelhaften Abschnitte macht deren Gegensätze bewusst und weiß sie zugleich aufzulösen, und schon die Songtitel – “Ascent”, die drei “Aether”-Stücke, “Facing the Outerworld”, “Interworld” – haben immer eine mögliche Welt jenseits der Grenze im Blick. (A.Kaudaht)

Label: Hubro