ASTARON: s/t

Viele werden beim ersten Blick auf das Cover des Albumdebüts von Astaron nicht ganz zu Unrecht auf eine Musik irgendwo in der Nähe von Malaria! oder X-Mal Deutschland tippen – “tippen” deshalb, weil das in Österreich legendäre Post Punk-Duo auf internationalem Parkett immer ein Geheimtipp war und im Laufe der Jahrzehnte erst recht in Vergessenheit geraten ist. Letzten Herbst kam der lange vergriffene Erstling aus dem Jahr 1988 neu als LP heraus, und er sollte alle in Erstaunen versetzten, die der Überzeugung anhingen, dass es in Sachen Punk’n'Wave nichts Altes mehr zu entdecken gäbe.

Astaron, die 1984 in Wien gegründet wurden und bis zum Ende der 80er aktiv waren, bestanden aus Martina Aichhorn und Angie Mörth, die zu Beginn der Combo noch bei Acts wie Rröslein Tott und Viele Bunte Autos aktiv war. Zu ihren Instpirationsquellen zählten sie so unterschiedliche Einflüsse wie Kate Bush, Einstürzende Neubauten und die Wiener Aktionisten. Ihr erstes Album folgte auf zwei im Eigenverlag der Supergroup Empty Wien veröffentlichte Tapes und offenbart in puncto Stil und Stimmung eine ganz eigene Handschrift.

“Black Galley” eröffnet die erste Seite mit monumentaler Wucht. Zu einem simplen Pogo-Beat startet eine Fahrt über Stock und Stein durch ein in Dämmerlicht getauchtes Land, in dem alle kurz aufblitzenden Objekte diffuse Gefahren andeuten. Sind es die Fanfaren, die man in den einfachen Melodien des Keyboards herauszuhören glaubt, die die Illusion schemenhafter Ritterburgen am Horizont andeuten? Zu schnell ist die Fahrt, um sich der Realität all dessen zu versichern. Eine vage mittelalterliche Atmosphäre, die im Post Punk dieser Zeit eher untypisch war, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Album und nimmt ganz unterschiedliche Gestalt an, oft in Kombination mit einer Kinderlied-Stimmung, die man in solcher Düsternis eher den Engländern – Stichwort “Folk Horror” – zutraut, und wenn einem dann noch die Ähnlichkeit einiger Bandfotos mit Strawberry Switchblade ins Auge fällt, ist man endgültig im Reich der Koinzidenzien verloren.

Man mag das Album eine ganze Zeitlang noch für eine sehr geradlinige Angelegenheit halten. Auf die schwarzen Sturmwolken von “Black Galley” folgt der snarelastige Gallop von “The Burning”, das mit dem hastigen Sprechgesang und dem schönen Duett eine gebrochene Heiterkeit ausstrahlt. Auch hier deutet sich diese latente Mittelalter-Atmosphäre an, und der Gesang erinnert an die Folkstücke aus dem Wickerman-Film und entfernt an Gruppen wie Orchis. Ein lieblich-forscher Marionettentanz mit Melodika (“Little Girl Crying”) und ein heimeliger Walzer mit Akkordeon und Flöten (“St. John’s Fire”) entfalten weitere stimmungsvolle Astaron-Facetten, und mit “As Time Joins In”, “In the Absence” und dem trashigen Orgelgroove von “Burst Out” ist man endgültig bei den dunklen Tanzflächenfüllern angekommen.

Wer es derart eingängig braucht, wird sich bei den letzten vier Tracks etwas anstrengen müssen, denn die haben eine wesentlich “experimentellere” Struktur, was das Label dann zu Referenzen wie Diamanda Galas oder den Cocteau Twins brachte. In “Sea Blue Ladies” schlüpfen die beiden in die Rolle von Meerjungfrauen aus einem surrealen Märchen, ihr Gesang webt einen Zopf mit dem Auf und Ab brausender Wellen und steigert sich gegen Ende zu kraftvollen Schreien. In “Collecting Bones” hüllt ein Regenschutt metallene Loops, hochtönende Synthies und evokative Kehrreime in seinen Mantel – die garantiert zufällige Nähe zu The Moon Lay Hidden Beneath A Cloud fiel vor mir schon anderen auf. “The Slurring” ist noch “industrieller” vom Klangbild, kontrastiert dies aber mit zauberhaft schönen Gesängen, die noch lange nachhallen, nachdem die Loops und der knurrende Ritualgesang von “The Voice” dieses seltsame Album beendet haben.

Astaron waren lange obskur, selbst eine geplante Tribute-Compilation u.a. mit Nový Svět verlief wohl im Sande. Das mit dem Schattendasein dürfte sich jetzt ändern, und es bleibt zu wünschen, dass das restliche Material – es gab außer den erwähnten Tapes noch eine Vinyl-”Maxi” und eine erst Jahrzehnte später aufgetauchte Konzertaufnahme – ebenfalls seinen Weg auf neue Tonträger findet. (U.S.)

Label: Sealed Records