SABA ALIZADEH: I May Never See You Again

Schon auf seinem vor zweieinhalb Jahren erschienenen Debütalbum “Scattered Memories” ging der in Teheran lebende Soundartist Saba Alizadeh, wie der Titel schon offen suggerierte, Fragen des Erinnerns und Vergessens, Fragen der bersönlichen Biografie und der größeren Geschichte nach. Nach verschiedenen Kollaborationen, Auftritten und kleineren Veröffentlichungen kommt er auch auf seiner zweiten LP wieder auf diese Themen zurück – “I May Never See You Again”, der Satz stellt unmissverständlich die Frage, ob das mit Du angesprochene Objekt weiterhin Teil der eigenen Gegenwart sein wird, oder unwiederbringlich dem Chaos der Vergangenheit, dem nur bedingt kontrollierbaren Strudel des Erinnerns und Vergessens anheimfallen soll.

Solche Fragen, die letztlich primär durch Hinweise in Liner-Notes deutlich werden, klingen in Alizadehs Werk natürlich eher abstrakt an, durch Andeutungen und Stimmungen, aber das ändert wenig an der Intensität, die seine Musik, in deren Zentrum die Karmancheh, die traditionelle persische Variante der Violine steht, umhüllt, ergänzt und im Klang verändert durch Sounds und Effekte, die man unter einem gewissen Vorbehalt irgendwo im einer schwer kartografierbaren Grenzlandschaft zwischen Ambient und Noise verorten kann. Vor allem der Opener “Blood City” vom Debüt klingt schon auf den ersten Eindruck an vielen Stellen von “May I Ever See You Again” an und das bereits ganz zu Beginn beim eröffnenden Titeltrack: Fast mit einem kleinen Donner legt dieser los und lässt seine schwermütigen Tonfolgen auf dem obertonreichen Instrument doch langsam und fast bedächtig anklingen, nur an wenigen Stellen werden die durch die Drehung stets rhythmischen Intervalle heftiger, als bräche eine undefinierbare Wucht in die so intensive und doch schwer greifbare Szenerie.

In zwei Tracks – dem dröhnenden “Phasing Shadows” und dem von wehmütiger Unruhe erfüllten “Touch” – leistet ihm Andreas Spechtl von der Wiener Band Ja, Panik Gesellschaft und kündet mit seinem unmanirierten Gesang von Schatten und Schallwellen, die körperlos wie schemenhafte Erinnerungen sind und doch die Illusion haptischer Berührungen erzeugen können. Die meisten der instrumental gehaltenen Stücke offenbaren eine größere Homogenität als die des Debüts, lassen die je nach Aufnahme und Bearbeitung wie Regen prasselnden, wie ein Blasinstrument luftig hauchenden oder einfach warm summenden Klänge ihre Motive bilden, durch die sich eine ganz eigene Melancholie wie ein zusammenhaltendes Band zieht. Kurz vor dem meditativen (und sehr intim anmutenden) Schlusstrack werden in dem gemeinsam mit… eingespielten “Hybrid” noch mal alle Register des kleinteiligen Rasselns und des krachenden Lärms gezogen.

Tolle Platte, die auf weiteres (wie die geplante Fortsetzung “Scattered Moments”) gespannt macht und demonstriert, dass die jüngere Generation der Alizadehs noch einiges zu bieten hat. (U.S.)

Label: 30M Records