Irgendwo in dem unwegsamen und zugleich reizvollen Landstrich, in dem Klangkunst, Improvisation und folkige Traditionen aufeinandertreffen und ihre unscharfen Grenzlinien immer wieder verschieben, hat die aus Colombo in Sri Lanka stammende Kei Watanabe einen ganz eigenen Ort für ihre Musik gefunden. Alles, was seinen Weg in ihre Aufnahmegeräte findet – Glöckchen, die Seiten alter Instrumente, der Klang ihrer Stimme, Elektronisches – scheint sich zu einem besonderen Material von sanfter Beschaffenheit zu verbinden. “Whispering”, der Titel ihres aktuellen Albums, umschreibt dessen Struktur perfekt.
Wer sich allzu Künstliches darunter vorstellt, sollte sich vom Titel des Openers – “Wild flowers, we don’t grow in labs” – in die richtige Richtung weisen lassen, und selbstredend auch vom sanften Flüstern, Hauchen und Bimmeln seiner Klänge, aus denen sich immer deutlicher eine mysteriöse Melodie heraus schält. Auch der stete Einsatz von Looptechniken ändert nichts an der “organischen” Anmut der Musik.
Im Verlauf der sechs Stücke entfaltet sich das Album als ein meist zaghaftes, nur gelegentlich aufbegehrendes Tasten durch ein von vielen Wegen und noch mehr Dickicht durchzogenes Reich der Sinne und Synästhesien, und die Suche, die die Künstlerin hier ins Werk setzt, vermag auch die Hörer schnell in den Modus der Fragen zu bringen: Was dröhnt in “Lila” wie ein Harmonium? Woher kommt das Hantieren, die gläsernen Tupfer, deren minimale Tonfolgen bald eine schüchterne Melodie entstehen lassen? Warum stört eine Kuckucksuhr das Idyll? Es sei ihr großzügig gestattet, denn Vögel generell oder zumindest etwas, das ihren Stimmen sehr ähnelt, haben auf diesem Album ein besonderes Mitspracherecht.
Bisweilen wähnt man sich in einem Hörspiel oder schaut einen Film mit geschlossenen Augen. Die den Seiten entlockten Stimmen von Tauben (“Where sleeping pigeons lay”) und Möwen (“Mermaid Bones”) und die dissonanten Straßengeräusche in “A Whole in my Heart” sorgen für vielfarbiges Kolorit – “musikalische” Elemente (Saitenspiel, Gesang und einiges mehr) nimmt all dies mit auf den Weg zum finalen “Born in a lemon basket”: vom mechanischen Katzenjammer zur effektgeladenen Karussellfahrt endet das Album so spektakulär wie eine Geburt und scheint all die vielen Ideen, die über Jahre in Colombo und Berlin entstanden sind, noch einmal zu bündeln.
Zum Ende hin bleibt der Eindruck eines stark persönlich gefärbten Albums, das trotz seiner intim anmutenden Aura viele Hörerinnen und Hörer mit unterschiedlichen Musikvorlieben begeistern kann. (U.S.)
Label: Syrphe