Samuele Gottardello, der sich Blak Saagan nennt und irgendwo im Umkreis der venezianischen Lagune mit Synthies und Drum Machines experimentiert, ist hierzulande eher ein Geheimtipp und allenfalls einigen italienischen Expats der Hauptstadt ein Begriff. Seine Kompositionen, die im Grenzbereich zwischen New Wave, kosmisch-ambienter Elektronik und dem psychedelisch angehauchten Filmscores der italienischen 60er und 70er angesiedelt sind, taugen aber durchaus für ein größeres Echo.
Sein gerade erschienener Longplayer, dessen Titel “Gäbe es hier Licht, wäre es sehr schön” bedeutet, ist – vergleichbar dem Carl Sagan gewidmeten Vorgänger “A Personal Voyage – ein Konzeptalbum mit einem dramatischen historischen Hitnergrund, der in Gottardellos Land jedem ein Begriff ist. Es geht um den früheren italienischen Premier Aldo Moro und seine 1978 erfolgte Entführung durch die Terroristen der roten Brigaden.
Wer sich an den Songtiteln entlanghangelt und sie mit der Atmosphäre und den Sounds der entsprechenden Tracks verknüpft, dem entfaltet sich im Verlauf des Albums die geschichte der Entführung des Politikers, der neun Wochen seiner Gefangenschaft bis zu dessen ermordung und dem Fund der Leiche im Kofferraum eines Kleinwagens. Die zahlreichen Briefe, die Moro in der Zeit verfasste klingen an, ebenso die damals und bis heute kursierenden Fragen zur Rolle der Geheimdienste, und wie der Albumtitel bereits nahelegt, handelt es sich dabei um eine dunkle musikalische Reise durch eine altptraumhafte Welt.
Der Aspekt des Traumes ist hier nicht willkürlich genannt, denn von Beginn an erweist sich dei Musik als (oft recht angenehm) entrückt. Helle, kristallklare Synthiestrahlen blinken beim Auftakt in loophaften Invervallen auf und bilden einfache Ornamente, irgendwann kommt Takt und Groove hinzu und eine Assoziation zu frühen Kraftwerk stellt sich unwillkürlich ein. Viele der eher kurzen Stücke gehen unmittelbar in Ohr und Bein, in der Kombination aus Dröhnung, vibrierenden Hochtönern und dem ernsten Bereicht einer Reporterin entfaltet sich eine enorme Spannung und in “Saltano Le Pecorelle”, der ersten musikalischen Wegmarke mit ritueller Perkussion und kolorithaftem Akkordeon werden Goth- und No Wave-Gefilde mehr als nur gestreift.
Mit seinen wavigen Synthieparts, die sich imemr mal in schwindelerregende Höhen schwingen und den vielen knarrend hervorsteoßenen Noisebrocken demonstriert das Album nicht nur einen ganz genuinen stil, es ist zudem an Höhepunkten keineswegs arm. Gesamplete Sounds inklusive einer imaginären Klapperschlange, nostalgische Farfisa-Orgeln und orchestrale Wucht wecken in Tracks wie “Ore 9: Attacco al Cuore dello Stato” und “Lettera da Via Massimi” Erinnerungen an die Polizeifilme der 70er und ihre Scores von Komponisten wie Morricone.
Oft geht deutliches oder angedeutetes filmisches Streicherpathos in Wave über (“Apperitive Al Bar Olivetti”, “Achtung! Achtung!”), in “Dentro la Prigione del Popolo” wird in NWW-Manier eine fremdartige, sumpfige Welt erkundet, “E Lo Spettro Disse: Gradoli” lässt orientalisierende Flöten erklingen und im abschließenden Titelstück klingt das Album nach einer tränenschweren Tiefe im Gegenzoom aus.
Warum dieser historische Stoff gewählt wurde, ob ein Bezug zur Gegenwart angedeutet ist und wie sich “Se Ci Fosse La Luce Sarebbe Bellisimo” selbst zu seinem Thema positioniert, erschließt sich, vielleicht auch ein wenig wegen der Sprachbarriere, nicht unbedingt. Das intensive Hörerlebnis wird durch diese (gefühlte) Unterdeterminiertheit jedoch keineswegs angetastet.
Label: Maple Death Records