Bedenkt man, dass die ägyptisch-amerikanischen Dwarfs of East Agouza eine Supergroup sind, deren Mitglieder Alan Bishop (Bass, Vocals, Altsaxofon), Maurice Louca (Keyboards, Drum Machine) und Sam Shalabi (E-Gitarre) in zahlreiche andere Projekte involviert sind, kann man nur anerkennen, dass nach dem 2016 erschienenen Debüt “Bes” noch zwei weitere Alben erschienen sind und die Herren daneben noch ausgiebig aufgetreten sind – eine Seite, die auch immer wieder auf Tonträgern dokumentiert wurde. Jüngst fand auch die vorliegende Konzertaufnahme, die 2017 in Brüssel bei einem Auftritt in den Ateliers Claus mitgeschnitten wurde, ihren Weg auf Vinyl. Kennt man die Affinität der Dwarfs zu spontanen Improvisationen, dann macht man sich wahrscheinlich wenig Sorgen um allzu große Überschneidungen zu den Studioalben.
Anlässlich des ein Jahr vorher erschienenen Debüts hieß es bei uns: “Eine Band, die aus Sam Shalabi, Alan Bishop und Maurice Louca besteht, nennt sich natürlich nur höchst ironisch Dwarfs, denn musikalisch sind die drei, die sich vor einigen Jahren eine Wohnung im Kairoer Bezirk Agouza teilten, alles andere als Zwerge. Eigentlich gab es in der Zeit gerade genug zu tun. Bishop hatte mit den Invisible Hands gerade einen würdigen Nachfolger für die Sun City Girls ins Leben gerufen, Shalabi arbeitete emsig mit dem Land of Kush-Kollektiv und Louca, der wahrscheinlich schon Ideen zu seiner künftigen Band Alif ausbrütete, hatte gerade sein Solodebüt in den Regalen stehen. Da man sich aber ohnehin bei all diesen und weiteren Unternehmungen unter die Arme griff, blieb immer wieder Zeit zum ungezwungenen Jammen, und so waren irgendwann die Dwarfs of East Agouza geboren, eine Supergroup, in der das kreative Input aller drei gleichermaßen einfließen sollte”.
Die erste Seite von “High Tide in the Lowlands” enthält eine ausladendere Version des Opener von “Bes”, “Baka of the Future”, und auch in der hier vorliegenden Version kann man die Fusion der verschiedenen Stile, in denen die drei firm sind, geradezu physisch spüren. Formal überschneiden sich viele Details – “ein grooviger Bass, ein zeterndes Tenorsaxophon, eine von allerhand trikontinentalen Einflüssen geprägte Jazzgitarre und nordafrikanische Perkussion in allen möglichen und unmöglichen Variationen”, wie es in der Besprechung hieß – mit der Studioversion, doch ein aggressiveres Tempo und eine etwas weniger saubere Klangbeschaffenheit geben dem Song eine spürbar andere Aura, bei der die im Original starken Easy Listening-Elemente ins Hintertreffen geraten: Nach einem erwartungsvoll stimmenden Auftakt, der etwas von einem spannungsgeladenen Vorspann hat und doch mit seinem energischen Picking auf der elektrischen Gitarre gleichsam medias in res geht, und dem Einsatz einer metallischen Perkussion und etwas Dröhnendem fügt sich bald alles zu einer groovigen Mixtur zusammen, die man sich in den 70ern und bei bislang jedem Psych- oder Space Rock-Revival gewünscht hätte, und die sich als so hypnotisch erweist, dass alle in Laufe des Tracks noch aufkommenden Details – neue Muster auf der Gitarre, psychedelisches Georgel – nur noch physisch wahrnimmt. Erst ein deutlicherer Bruch, bei dem die immer elektrifizierter wirkende Perkussion nach vorn rückt und für Momente den Rest fast verstummen lässt, holt einen vor dem finalen Tempoanstieg zurück ins Hier und Jetzt.
Nach dem offenen, leicht schrägen Schluss ist das Publikum gewappnet für das mir bislang von keiner anderen Aufnahme her bekannte “The Sprouting of the 7th Entertainment”, das mit Alans leiernden Stimmbeiträgen und allerhand rasselnden Geräuschen als Kulisse für die soliden Gitarrenparts um einiges zerfledderter startet. Schnell entpuppt sich der Track als eine schwindelige Karussellfahrt, bei der seltsame Schreie, trällernde Saxophonparts, merkwürdig orgelnde Pfeifgeräusche und funky Gitarren nicht immer ganz von einander unterschiedbar sind, aber zusammen immer mal durch den Fleischwolf wagemutiger Tempospielereien gedreht werden.
Nicht erst, wenn gegen Ende ein begeistertes Publikum zu hören ist, verdeutlichen die beiden Stücke, die die Intensität der vierzig Minuten gut einfangen, wie sehr die Dwarfs auch als Live-Band überzeugen. (U.S.)
Label: Sub Rosa