FOGROOM: The Browning Vortex

Es ist als erkunde man einen seltsam verwunschenen Ort mit verbundenen Augen. Hinter einer Wand aus Rauschen scheinen sich Schritte abzuzeichnen und hinter den niederdrückenden Soundloops, die bald einsetzen, hantiert etwas, als schlage jemand einen Nagel in eine Wand. Was geschieht hier und wer ist hier zugange? Ist es ein Nebelhorn, dass am anderen Ende der Soundschicht erklingt? Zu der undurchsichtigen Atmosphäre des Prologs von “The Browning Vortex” würde es passen, und vielleicht bringt es ein bisschen Orientierung in den Schauplatz. Die könnte man zumindest gebrauchen, denn spätestens im hypnotisch somnambulen Brummen des darauffolgenden “The Moon So Big” spürt man, dass man einen spukhaften Ort betreten hat oder dass man, falls man den Blickwinkel des distanziert wahrnehmenden Rezipienten einnehmen möchte, jemandem bei der Geisterarbeit zuschaut.

Das Tape “The Browning Vortex” ist der erste Longplayer, den der deutsche Soundartist Jörg Follert mit seinem neuen Projekt Fogroom herausbringt, und mit dem er auf gewisse Weise auch an das vor rund zwei Jahren erschienene “Ormeology”-Album seines anderen Ausdrucksventils Mimsy anknüpft. Doch während er dort in filigranen Songansätzen eine Musik der Übergänge und Überblendungen schuf, scheint er hier wie eine Sonde in die Mitte eines geisterhaften Geschehens einzutauchen.

Das heißt aber ganz und gar nicht, dass es im Strudel von “The Browning Vortex” keine Bewegung gäbe, ganz im Gegenteil. “Travel in Fear”, aus dem manch einer ein ganzes Album gemacht hätte, ist eine Passage voll spontaner und doch stimmig wirkender Richtungswechsel: Knietief im Knarren und Rauschen dunkler Synthies zeichnet sich von Beginn an etwas Monumentales ab, das an den Mut im Angesicht einer Bedrohung denken lässt, und das sich durch mehrere meist von rhythmischen Strukturen geprägte Stationen – mysteriöse Hochtöner, hintergründige Pauken, aufwühlende Trommelwirbel – ziehen lässt, und wenn immer man sich am zentralen Plateau wähnt, tut sich ein neuer Weg in eine unerwartete Richtung auf. Leisere, verspielte Momente leiten dann in den Schlussteil über, der in gewohnter Wucht beinahe an einen sich schließenden Kreis erinnert – beinahe, denn hier kommt nichts zurück, wie es war.

Haben diese rhythmischen Passagen fast immer etwas Befreiendes, so wirkt die Musik mitunter besonders desolat, wenn diese nicht oder weniger stark vorhanden sind. In “Teleskope”, das sich sehr langsam aufbaut und aus dessen von leisen Donnerschlägen durchzogenem Rauschen sich mehr und mehr ein dröhnender Sound herausschält, stößt man auf eine bedrohlich wirkende orchestrale Wand, die sich langsam aber stetig nähert und die Gelassenheit des Hörers herausfordert. In “What is this?” fühlt man sich wie von einer rauen verzerrten Flut überrollt. Unter ihrer Wucht wird auch ein wehmütiges orchestrales Ornament begraben, was dem ganzen eine besondere Melancholie verleiht. In manchen der Stücke tauchen die rhythmischen Elemente beinahe unverhofft wie ein deus ex machina auf – das können auf’s Wesentliche heruntergebrochene Midtempo-Drumbeats aus den Annalen des Rock sein, wie sie in “Traces lost in the sand” ein spannungsgeladenes Gemisch aus schwerer Dröhnung und berührenden Streichersounds auflösen. Oder hypnotische Taktung, die im passend betitelten “The Entrance” ein Portal zu öffnen scheint.

Man könnte die vielfältigen Bewegungen der Ereignisse – und ebenso die des verbundenen Auges, das diese durch die grobmaschigen Texturen seines Schleiers zu beobachten versucht – noch weitaus detaillierter nachzeichnen, aber selbstredend kommt es auf diese Details nicht an. Die intensive Erfahrung der Musik dagegen wirkt nach, auch nach dem Verlassen dieser seltsamen Heterotopie. (U.S.)

Label: Doomshire Tapes