Auf “Bordando el Manto Terrestre” vereinigen sich zwei Projekte von der iberischen Halbinsel, auf die ich eher zufällig gestoßen bin – die Initialzündung war der Beitrag der Sängerin und Pianistin Amaya López-Carromero alias Maud the Moth am Debüt der Band Uath um den legendären Grey Malkin. Zusammen mit dem bereits seit 25 Jahren existierenden Duo Trajedesaliva entstand ein eigener musikalischer Kosmos, der folkige, dröhnende, hörspielartige und rezitative Elemente vereint.
“Bornando el Manto Terrestre”, das auf deutsch so etwas wie “Den Mantel der Erde mit Stickerei verzieren” bedeutet, ist eine Hommage an die in Spanien geborene und während des zweiten Weltkrieges über Paris nach Mexiko geflohene Malerin Remedios Varo, deren Werke in ihrem späteren Heimatland als Kulturgut gelten. Ihre Arbeiten, die dem Surrealismus zugerechnet werden, zeigen figurative Traumgesichte, die in ihrer oft dunkeln Fantastik auch immer einen subtilen Humor durchscheinen lassen und die von Alchemie und einer oft linkshändigen, femininen Mystik beeinflusst sind.
Da das Album einen stark textlich-rezitativen Schwerpunkt hat und die verwendete Sprache Spanisch ist, entgeht einem ohne entsprechende Kenntnisse natürlich einiges – dass “Bornando…” aber auch ohne die entsprechenden Voraussetzungen interessant ist und Neugier auf seinen Stoff weckt, verdankt sich allein schon der intensiven Atmosphäre des Werks. Was dabei – v.a. wenn man bedenkt, dass es eine Kollaboration und keine auf einander eingespielte Band ist – von Beginn an beeindruckt, ist die Stimmigkeit, mit der die einzelnen Komponenten der Musik zusammenwirken. Im eröffnenden “Perdi Pie” arrangieren sich hochtönende und tief brummende Saitenstriche zu einem ungeschönten und doch berührenden Schwarzweiß-Szenario in Moll, das auch einen gewissen Drone-Doom-Charakter hat. Vor dieser Kulisse lässt Amaya zunächst einen lyrischen Sopran, später verhaltene Rezitation in den Raum fließen, in dem u.a. der Körper einer Raubkatze beschrieben wird. Die Melodie eines Klaviers lässt die ganze Szenerie endgültig wie eine Collage anmuten und bringt zugleich eine geerdete Ruhe hinein. Diese kann durchaus als Ruhe vor dem Sturm gesehen werden, denn im folgenden “Jardincito de Rosa y Tierra” sorgen pulsierende Harmoniumwellen für eine fast hymnische Wirkung und markant in den Äther gestoßenen Worten für einiges mehr an aufgewühlter Dynamik. “Habitantes del Desgarro” steigert das noch, denn hier geben eine aufgekratzte, fast infernalische Dröhnung und schicksalsschwere Tastenanschläge den Hintergrund ab für einen sich emporschwingenden klagenden Gesang.
In den meisten der darauffolgenden Stücke nehmen Orgelklänge einen größeren Raum ein und wechseln gekonnt zwischen einer sakralen Feierlichkeit und einer entgrenzten elektronischen Psychedelik. In “Cuerpo de Gato” treiben ihre hohen Tonfolgen die rezitierende Stimme durch einen Telefonhörer oder etwas ähnlich verfremdendes, bis alles sich irgendwann in Rauch auflöst. In “Fruta Alrededor de una Vela” erscheinen die Orgelklänge noch fordernder, werden aber konterkariert von einem Klavier, dessen Spiel wie ein plätschernder Bergbach die Anspannung löst. Nach dem wehmütigen “Perla” und dem gewollt unsicher zwischen verschrecktem Knarren und lieblichem Bimmeln changierenden “Circolo roto” schließt das Album mit einem Instrumentalstück, das noch mal fast alle Register zieht und in seiner offenen Aufbruchstimmung wie selbstverständlich das Rattern einer alten Filmspule montiert. Und in der Tat mag man sich nach “Hilos de fantasia” fühlen wie beim Abspann eines lange verschollenen Films.
Label: Woodford Halse