ÚATH: s/t

Als ich zum ersten Mal das Debütalbum von Úath hörte, hatte ich die ganze Zeit die Assoziation, dass es hier um eine Schöpfungsgeschichte geht, um das gewaltsame Entstehen von etwas Großem. Dass der Bandname in einer alten Variante des Irischen allerdings so etwas wie Furcht oder Angst bedeutet, tat diesen Eindruck keinen Abbruch, denn das Erwachen einer Form aus einem chaotischen Urgrund kann sich oft wie sein Gegenteil und somit durchaus brachial und furchteinflößend anfühlen bzw anhören.

Doch gehen wir der Reihe nach vor: Úath ist eine neue Combo, deren feste Mitglieder der unseren Lesern allseits bekannte schottische Geistersucher Grey Malkin und der etwas obskurere irische Klangkünstler Ruairi O’Baoighill sind. Auf dem Debüt wirken allerdings noch eine ganze Reihe an Gästen mit, die am Ende fast auf ein Who is Who der Grey Malkin-Kollaborateure der letzten Jahre hinauslaufen: Adam Geoffrey Cole (ehemals Trappist Afterland) ist kurzzeitig an der Drehleier zu hören, während Alan Davidson alias Kitchen Cynics bei einem Song als buchstäblicher Whistleblower in Erscheinung tritt. Daughters of Grief und Menaleah steuern unter anderem Gesang bei, und an diversen Effekten ist in einem Track Andy Sharp (Englisch Heretic) zu hören. Ein etwas neuerer Name ist die in einem Stück zu hörende Sängerin und Bassistin Amaya Lopez-Carromero alias Maud the Moth.

Vielleicht war es der kurze Opener “The Awakening of Pan” mit seinem frühlingshaften Vogelzwitschern und seiner stimmungsvollen Drehleier, der diesen durchgängigen Eindruck einer Kosmogenese bewirkt hat. Hier mischt sich in das angenehme Szenario über perkussive Elemente gleich etwas Stürmisches ein, dass nicht nur in den kraftvollen Pauken zu spüren ist, sondern auch in einer gewissen “kaputten”,  aufgekratzten Klangbeschaffenheit, die schon diesem Stück etwas furioses verleiht.

An das Stürmende knüpft dann auch das folgende Stück schon in seinem Titel an: “Our Lady of the Storms” umgarnt das Ohr mit einem trügerisch schönen Schwebeambientsound, in dessen Melange eine weibliche Stimme gemischt ist, die sich bald als sanft gehauchter Gesang herauswindet. Doch von Beginn an haftet dem schwebenden Klang auch etwas schwindeliges an, und während die Sängerin ihren immer noch zur Hälfte mit dem restlichen Sound vermischten Gesang anklingen lässt, zeichnet sich immer mehr Rumpeln und raues Reiben unter der Oberfläche ab, das wahrscheinlich von einer E-Gitarre stammt. Einzelne Verse dringen ans Ohr, künden von Vögeln, die auf den Zweigen eines Baumes eine liebliche Melodie anstimmen. Sie sind allerdings schwarz, was vielleicht auch symbolisch zu verstehen ist, und überhaupt klingt der Song durchgehend, als wolle irgendetwas ausbrechen wie ein Vulkan, und manchmal fühlt es sich an, als sei man gerade eine Sekunde von diesem Moment entfernt.

Eine heidnisch okkult anmutende Grundstimmung zieht sich vom ersten bis zum letzten Klang durch dieses pangälische Werk, und in einigen Stücken zeichnet es sich besonders ab. Da wäre das von den hier im Grunde fast allgegenwärtigen Pauken dynamisierte “The Singing Stones” mit seiner evokativen Rezitation, das animistische Vorstellungen schon in seinem Titel anklingen lässt. Oder “The Green King Drinks from the Gold Cup”, das in seinem kurzen stürmischen Knarren, in das zahlreiche hochtönende Details gemischt sind, eine geheimnisvolle Transformation anzudeuten scheint. Doch was verwandelt sich hier in was?

Etwas fatales, von einer endzeitlichen Spannung durchzogenes ist eine weitere Säule der Atmosphäre dieser Musik, bei der durchaus ein Begriff wie Gothic fallen darf, wenn man diesen weit und eher in seinem klassischen Sinne benutzt. Dies gilt für strudelhafte Collagen wie “Dreads and Drolls” und “The Malice of Inanimate Objects”, aber auch für Szenarien wie “The Fenstanton Witch” – dieses entfaltet über fast zehn Minuten hinweg die Stimmung einer Trauerprozession, wie sie in der gleichnamigen (zu seinen Lebzeiten unveröffentlichten) Geschichte von M.R. James geschildert wird, in der es um ein missglücktes magisches Experiment auf einem nächtlichen Friedhof und einen monströsen Angriff geht. “Cold Blows The Wind”, das mit seinem schleppenden Takt und den fast noisig knarrenden Bässen einen dunklen Clubhit abgeben könnte, hat ein ähnliches Setting, es ist eine Variation der Folkballade “The Unquiet Grave” über die exzessive Trauer eines jungen Mannes am windumtosten Grab seiner verstorbenen Geliebten. Auch “My Son Davie”, bei dem kindliches und liturgisch anmutendes, evokative Rezitation und in luftige Höhen schwebender Gesang miteinander verschwimmen, ist eine traditionelle Ballade und in einer anderen Version auch als “Edward” bekannt.

Nach mehrmaligem Hören fällt immer mehr auf, wie viele Facetten dieses Debüt trotz deutlicher Leitmotive aufweist, ein Facettenreichtum, aus dem so mancher Musiker gleich mehrere Alben gemacht hätte. Aber das sollte bei Grey Malkin und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern dennoch optimistisch stimmen, denn bislang wurde in diesem Dunstkreis fast jedes einmal angefangene Projekt fortgesetzt. Gerade bei Úath würde sich das definitiv lohnen. (U.S.)

Label: Cursed Monk