POOR ISA: Dissolution of the Other

In einem weiten Raum erklingen kleine tönende Tupfer, es sind die sanft gezupften Saiten eines Banjo, dessen leicht metallischer Klang nichts an der Andächtigkeit der Tonfolge ändert. Sie bilden Gruppen, scheinen sich zu vermehren, subtile Muster zeichnen sich ab, doch alles bleibt vage und unbestimmt. Auch die leichte Verfremdung, die dem aufmerksamen Ohr nicht entgeht, ändert nichts an der Schönheit dieses Solospiels einer Hand, die auf der Suche ist, die sich selbst überraschen lässt in stoischem Gespanntsein.

Irgendwann ändert sich das Tempo, und eine fusselige Entrücktheit deutet in die offene Weite. Erst im letzten Teil des Stücks, nach einem Bruch und einer leisen Passage, macht sich subtiles Hantieren bemerkbar, das auch der mysteriöse Klang unregelmäßiger Tropfen sein könnte. Kennt man das Duo Poor Isa, dann ahnt man, dass dies der Klang von Holzblöcken ist, die das Duo zusammen mit dem Banjo einsetzt.

Poor Isa bestehen aus den Belgiern Ruben Machtelincks und Frederik Leroux, die vor einigen Jahren ihr Stamminstrument, die Gitarre, an den Nagel hängten, um nach einigen improvisierten Auftritten in verschiedenen Konstellationen ihrem Interesse an dem Zusammenspiel von Banjo und hölzernen Objekten nachzugehen. Vor vier Jahren brachten die beiden ihr erstes gemeinsames Album “Let’s drink the sea and dance” heraus dass neun verspielte Kompositionen und Improvisationen enthielt. Das vorliegende “Desolution of the other” bringt dieses Konzept weiter und eröffnet zugleich ein neues Kapitel: Hier finden sich längere, intrigat komponierte Stücke, die auf den ersten Eindruck nur ihre minimalistische Struktur gemeinsam haben.

Im oben beschriebenen Opener “Figures “, in dem das Saiteninstrument deutlich im Vordergrund steht, entsteht eine seltsam barocke Atmosphäre, und es ist gar nicht leicht zu sagen, welchen Subtext die Holzobjekte dem genügsam suchenden Fingerpicking unterschieben, doch irgendwie harmoniert alles auf eine keineswegs selbstverständliche Weise. Vielleicht hindert einen dieser Subtext auch an einem frei nach Brecht allzu romantischen Glotzen, aber letztlich harmoniert alles soweit, passen sich die freien Geschwindigkeiten immer wieder einander an und werden zu einem einzigen homogenen Fluss, erst recht wenn Leroux irgendwann noch eine repetitive Flöte auf die Bühne bringt. Die Koda gehört dem klingelnden Banjo allein, und so schließt sich der erste Kreis.

Das die zweite Seite ausfüllende “Drifter” könnte kaum unterschiedlicher sein. Diesmal beginnt alles mit den zu Anfang noch richtungslos wirkenden blubbernden Holzblöcken, und wieder ahnt man, auch angesichts des hintergründigen Rauschens, einen gewissen Grad an Verfremdung. Nachdem sich auch hier der Banjo für Momente zu Wort meldet, geht das Stück über in eine luftig dröhnende Passage von abstrahierter Natur. Hättestens bei dem rassellig groovigen Abschnitt im zweiten Teil kann man realisieren dass es bei dem Stück primär um eine rhythmische Entwicklung geht, und auch nicht zuletzt um eine Brechung des auf der ersten Seite noch umgesetzten zirkulären Modells: auch hier kehren einzelne Motive wieder– das seltsame gluckern der Holzblöcke, die Dröhnung mit hohen Obertönen und bestimmte Tonfolgen – um aber ihre Gestalt mal subtil, mal weniger subtil zu verändern. In diesen subtilen Veränderungen findet sich wohl auch, vielleicht mehr als im Rhythmus, das ritualistische Element, das vom Label im Begleittext angesprochen wird.

Label: Aspen Edities