INTELLIGENT LIFE: Analogies

Am Beginn von “Analogies”, dem neue Album des aus Jeff Düngfelder (Elektronik), Mike Brown (Kontrabass) und Joshua Trinidad (Trompete) bestehenden Trios, steht eine ambiente und gleichsam kantige Klangszenerie: Kernige, vielfach schabende und kratzende Sounds winken einen in einen noch unbekannten klanglichen Kosmos und illustrieren zugleich, dass in diesem keine Komfortzone wartet. Bereits nach kurzer Zeit offenbart sich noch ein weiterer Zug dieser Welt, wenn sich einer der ersten Brüche ereignet, nach welchem ein deutliches Bimmeln und perkussives Hantieren eine neue Richtung implizieren. Doch alle Richtungen scheinen hier vorläufiger Natur zu sein und nur für eine kurze Folge von Momenten zu gelten. Der Grundcharakter von “Analogies” dagegen wird sich erst mit der Zeit und auf anderen Wegen offenbaren.

Nach einer Pause von knapp drei Jahren, in denen die drei Künstler anderen musikalischen Aktivitäten nachgegangen sind (wir berichteten immer wieder über Düngfelders Ümlaut-Projekt), knüpfen sie nun an ihren alten Produktionsturnus an mit dem Ziel, mit experimentellen Mitteln zwischen ambienten, klangkünstlerischen und jazzig eingefärbten Charakteristiken eine Musik zu erschaffen, die meditativ und herausfordernd ausgerichtet ist, was in ernsthaften Vorstellungen des Meditativen ohnehin kein Paradox darstellt. Eine der Inspirationsquellen dabei war wohl Melvilles Roman Moby Dick. Eine sich ständig neu erfindende Bewegung, wie wir sie schon in Düngfelders im Alleingang produzierten Arbeiten gefunden haben, charakterisiert auch dieses Album.

Was bereits im eröffnenden “Consider, Once More” deutlich wird, ist die Skizzenhaftigkeit, in der nahezu perfekt gestaltete kleine Miniaturszenarien kurz aufscheinen: Warme, griffige Bassklänge auf der Basis ströhmender Elektronik; ein vorübergehnder Strudel aus Perkussion und leicht verunsicherndem Rauschen; etwas, das wie Pianotupfer anmutet und spannungsvollen Hochtönern die Tür öffnet; smoothe Trompetenklänge in der Art des sogennannten Darkjazz als Krönung schwungvoller Bewegungen mit einem virtuellen Jazzbesen; und stets neue melodische Narrative, bei denen man immer wieder glauben mag, dass diese nun bleiben und ihre Geschichte zuende erzählen, doch stets obsiegt die Freude am kreativen Reset. Diese Dinge unterstützen auch die in allen kurz angerissenen Szenarien implizierte Einladung, sich in die Musik wie in einen stillen See fallen zu lassen, der so gar nichts mit dem tobenden Meer Melvilles gemein hat.

Selbstredend hat jedes der Stücke auf “Analogies” seine eigenen unverkennbaren Wesenszüge, die sich oftmals in der stets unterschiedlichen Abfolge der entworfenen kleinen Szenen offenbaren. In seiner Gemächlichkeit wirkt “The Subtleness of the Sea” zu Anfang trotz des prasselnden Rauschens entrückter, “fröhlicher”, doch diesmal ist es Trinidads Trompete, die als erstes Element eine Spannung einbringt, die sich durch eine Veränderung des vorhandenen Klangmaterials immer mehr in etwas deutlich Dramatisches verwandelt. In anderen Tracks taucht aus einer dunklen Dröhnung eine durchaus komplexe perkussive Motorik an die Oberfläche und bildet den Auftakt für gebrochene, flinke Beats und streicherartige Spannungsmacher. Und immer wieder begegnen uns in den geflechtartigen Struktren einzelne Motive erneut, übernehmen neue Funktionen und gehen neue Verbindungen ein, und man bekommt das Gefühl, dass man beim Hören nicht einmal unbedingt der Anordnung der Tracks folgen müsste, sondern die Szenenfolgen nach eigenen Ideen gestalten kann.

Dass sich bei alldem Deja-vu-Erlebnisse einstellen können, mag nicht überraschen. Manchmal scheinen Reminiszenzen an Rhythmiken asiatischen Ursprungs aufzutauchen, und mit dem Zusammenspiel von Bass und dem Adagio der Trompete werden Erinnerungen an das Pathos cinematischer Showdowns wach, Blätterrauschen, Schritte und aquatisches Gluckern scheinen bekannte Motive aufzugreifen, die am Ende ebensogut den Assoziationen der Rezipienten geschuldet sein können. Nach dem an Feuer oder die Nadel auf einer Vinylscheibe erinnernden Knistern zieht das abschließende “The Wit Thereof” noch einmal zahlreiche Register und verschwindet mit cool beschwingten Tanzschritten in einer von gedehnten Synthies ausgefüllten Ferne, während die hellen Kleckse einer schallgedämpften Trompete den Abspann zeichnen.