Auf Lampe Fuchs’ neuem Album “Amor” dreht sich, wie der Titel bereits vermuten lässt, alles um die Liebe, ein Thema, das öfter mal und vermutlich zurecht als das meist besungene Thema in der populären Musik bezeichnet wird. Aufgrund dieser Popularität und der damit verbundenen großen Präsenz ist es natürlich auch ein Thema, mit dem man grandios scheitern kann, indem man ganz unbeabsichtigt schon oft gehörtes auf ermüdende Weise reproduziert, oder, vielleicht schlimmer, betont Originelles an den Haaren herbei zu ziehen versucht. Schon in den ersten Minuten des Albums wird klar, dass “Amor” weit von beidem entfernt ist.
“Amor” beginnt mit einer fast elegischen Pianoweise in leicht holpriger Angejazztheit und präsentiert die Liebe erst einmal ganz allgemein als eine fast ein bisschen scheu anmutende, in jedem Fall launenhaft-unberechenbare Person – oder zumindest Allegorie. Mit forscher und zugleich hochtönend ornamentaler Stimme, die in einem Kabarett der zwanziger Jahre eine gute Figur gemacht hätte, die das Ganze aber auch ein bisschen wie ein Art Deco-Szenario anmuten lässt, lässt Limpe die Liebe im nach ihr benannten Opener vergnügt auf einer Mauer sitzen und sich in der Sonne räkeln, als wäre das eine ihrer gewohntesten Beschäftigungen. Woher sie kam und wohin sie recht bald schon weiterziehen wird, weiß wohl niemand, und die Akkorde des Klaviers zeichnen dazu eine launige Regenwetterkulisse. Keine Spur hinterlässt sie, nur einen leeren Platz.
Nachdem der Text noch einmal auf englisch wiederholt wurde und nach einem längeren verspielten Vorspiel auf dem Flügel geht es in “Something” in dieser Sprache weiter mit einer Reflexion über die ständige Abfolge von Leid und Hoffnung, bei der Gertrud Steins Rose einen Gastauftritt hat und offen bleibt, ob die nie endende Hoffnung auf ein ungewisses “Etwas” naiv oder heroisch oder beides ist. In den Liner Notes betont die Musikerin, dass Liebe für sie zwar auch, aber keineswegs nur im zwischenmenschlichen Zusammenhang wesentlich ist, dass sie durchaus auch Objekten, allen voran ihren Instrumenten in Liebe verbunden ist. Wer von ihrer animistischen Sicht auf die Welt der Dinge weiß, wird sich kaum wundern, wenn sie beispielsweise ihr Klavier, ihre Trommeln oder ihre Viola als lebende Entitäten betrachtet und ihre Nähe zu diesen Geräten als eine anhaltende und sich vertiefende Liebesaffäre betrachtet. Vor diesem Hintergrund passen auch Stücke wie “Haiku” oder “Trommeln” in den thematischen Rahmen. Kratzende und summende Insekten, Vögel und Trommeln und einiges mehr bilden im Text des ersteren eine faszinierende Klangszenerie, bei der alles – auch die im Unterschied zum Text v. a. auf Piano und seinen entblößten Saiten im Glissando basierende Musik – wie in einem Paartanz harmonisch aufeinander reagiert, und sei’s dass die Klavierakkorde plötzlich leise eine Folge hoher Töne spielen, wenn Limpe gerade einen “ganz leisen Vogel” besingt.
Vor dem finalen Titelsong – einem tollen, in Latein und Englisch gesungenen Abspann – kommt es in “Verliebte Autos im Wald” noch einmal zu einem der vergnügten Höhepunkte des Albums: Zu vorsichtig tastenden Pianoparts lässt Limpe eine Gruppe verliebter Karren im Verkehr säufzen, knurren und quietschen, mit Antennen tänzeln, mit Scheinwerfern blinzeln und mit Plastiksitzen schwänzeln. Wenn man von der Musikerin einen anderen Blick auf vermeintlich leblose Objekte lernen kann, dann ist dieses Stück eine besondere Gelegenheit dazu.
Bei alldem sind dies nur die groben Strukturen, in denen sich durch die Art der Darbietung zahlreiche Details entdecken lassen und sich bei mehrmaligem Hören immer mehr konkretisiert, was “Amor” zu einem reichhaltigen Album macht. Für alle, die selbst dann noch nicht genug haben, gibt es noch drei Bonustracks, so z.B. eine Live-Version von “Trommeln” und zwei weitere perkussiver ausgerichtete Stücke, bei denen Valérie Vivanos und Mark Fell mitwirken. (U.S.)
Label: Play Loud!