Ganz überraschend hat Ghostfolkerin Allysen Callery vor einigen Tagen ein neues digitales Coveralbum herausgebracht, auf dem sie insgesamt achtzehn Tracks von ganz unterschiedlichen ihrer Lieblingsmusikerinnen und – Musikern interpretiert und ihnen in den meisten Fällen den für sie so typisch verhuschten, nebelverhangenen Dark Folk-Anstrich gibt, der ebenso gut in ihre neuenglische Heimat passt wie das entzückende Kätzchen auf dem Covermotiv, das ein bisschen an einen kleinen Bär erinnert und sich anscheinend mehr für das Gesicht des Zeichners interessiert als für den Hirschkäfer unten im Bild.
“Covers II” knüpft dabei an eine EP an, auf der sie vor einigen Jahren u.a. Stücke von The Doors und Superwolf neu interpretierte. “Alternately drenched in reverb, and decorated with natural birdsong, this collection of covers was made at home by me to share”, sagt die Künstlerin und betont dabei einen Aspekt, der der Musik ihre ganz spezifische, intim anmutende Ausstrahlung gibt, die sich so wunderbar mit einer Aura des heimelig-unheimlichen verträgt.
Bei einigen der ausgewählten Songs, die aus der Übergangszeit vom mittleren zum späten 20. Jahrhundert stammen, bleibt Callery in ihrem folkigen Terrain, wobei einige – nicht alle! – der ausgewählten Songs natürlich ihrer Entstehungszeit geschuldet ein stärker “hippieskes” Grundgefühl ausstrahlen, das sich heute nicht mal nebenbei hervorrufen lässt. Hervorzuheben sind Pearls Before Swines “Ballad To An Amber Lady”, Sandy Dennys “Crazy Lady Blues”, Bridget St Johns “The Road Was Lonely” und v.a. das großartige “Hori Horo”, das vom Album “Folk Roots, New Routes” von Shirley Collins und Davy Graham her bekannt ist. Ähnlich verorten kann man u.a. den wohl aus Irland stammenden Folksong “Moonshiner”, den bisher wohl am prominentesten Bob Dylan und Cat Power gecovert haben, sowie ein Stück von Joni Mitchell. Alle scheinen sie in Callerys Versionen in ein schumemriges, abenliches Dämmerlicht getaucht.
Andere Songs aus allen Himmelsrichtungen der Musikwelt weiß Allysen geschickt neu einzukleiden, dazu zählen eine von introvertiertem Strumming und nach hinten gemischten Vocals geprägte Version von “How to Disappear Completely” von Radioheads “Kid A”-Album sowie Bobby Darrins jazziger Evergreen “Beyond the Sea”, der aus vielen Filmen und Serien bekannt und hier kaum wiederzuerkennen ist. “Rosemary” von The Greatful Dead wird von psychedelischem Trip ans heimelige Lagerfeuer geholt und Steely Dans Hit “Dr. Wu” aus den 70ern von einer Highwayfahrt in ähnliche Gefilde.
Ein Höhepunkt ihrer Coversammlung ist “Song to a Siren” – man wäre geneigt zu sagen, dass Callerys Version mit akustischem Gitarrenstrumming näher an Tim Buckleys Original als an This Mortal Coils spätestens seit Lost Highway bekannter Version ist, aber tatsächlich hat sie dem berühmten Details aus der Odyssee hier ihren ganz eigenen Anstrich verpasst. Ist “The Crystal Ship” der Doors doch nocht recht nah am Original geblieben, erkennt man Amy Winehouse’ “Back to Black” erst nach einer Weile.
Nach den letzten Akkorden von Black Sabbath’ “Planet Caravan” bleibt der Eindruck eines trotz des unterschiedlichen Ausgangsmaterials nie zu heterogenes Albums, das gerade aufgrund seines spontan wirkenden und unprätentiösen Charakters wie eine ehrlich gemeinte Verneigung vor den Songs wirkt. Meines Erachtens entstehen so die relevantesten Neuinterpretationen alter Songs.
Nicht enthalten ist übrigens Roky Ericksons “I Am”, mit dem sie erst jüngst an der üppigen “I Think Of Demons”-Compilation teilgenommen hat. (U.S.)