Mit “Los Jardines del Hades” präsentiert Demian Nada, bekannt von und als Ô Paradis, ein vielschichtiges introspektives Album, das seine kreative Neuausrichtung und persönliche Entwicklung widerspiegelt. Diese tatsächlich solo eingespielte erste Veröffentlichung unter seinem eigenen Namen betont, wie er sagt, nicht nur einen sehr persönlich gefärbten Charakter der Aufnahmen, sie markiert auch eine neue Form kreativer Freiheit. Rund dreißig Songs für Ô Paradis entstanden in den ergangenen Monaten und waren doch wenig zufriedenstellend. Nachdem er sich für seinen eigene Namen entschieden hatte, kamen gleich, wie einem magischen Mechanismus folgend, eine ganze Reihe an überzeugenden Stücken zustande, bei denen sich immer mehr auch eine inhaltliche Klammer abzuzeichnen begann – und mit einem primär auf Basslinien und Cajon basierenden Sound gleich auch eine neue musikalische Ausprägung seiner experimentellen Chansons.
Das Album eröffnet mit “Ruido Blanco”, dessen coole, bluesige Bassparts zusammen mit der handclapartigen Perkussion hypnotisierend wirken, während der charakteristische, ehrlich anmutende Gesang mehr als eine Brise Melancholie beigibt. Der Text evoziert surreale Bilder von Regen und weißem Rauschen, in denen sich die Bereiche von Traum und Wachzustand zu überlappen scheinen. Das Arrangement steigert sich schrittweise, bis es eine fast spielerische Intensität erreicht. Das um eine von Fragen der Angst und der Schönheit geprägte Ambiguität kreisende “Fatamorgana” taucht tiefer in Demians experimentelle Seite ein und kombiniert elektronische Midtempo-Takte mit der leicht shoegazigen Substanz der verzerrten Saiten. Der Track wechselt zwischen düsterem Groove und wärmendem Gesang in Moll, was einmal mehr eine surreal-verträumte, stellenweise leicht ironisch eingefärbte Stimmung entstehen lässt. Das Abgedunkelte, nur bedingt greifbare, scheint charakteristisch zu sein für die Gärten des Hades. Das wird auch spürbar in der ersten Coverversion des Albums, einer von Rezitation, rasseligen Gitarren und einem trunkenen hintergründigen Jaulen geprägten Version von Scorpion Winds “There is no more Sleep”: Unter Beibehaltung einiger der fingerschnippenden Easy Listening-Elemente wird das vergleichsweise öde Original in trancehafte, sphärische Gefilde gehoben, in denen es – für viele freilich auch aufgrund der Sprachbarriere – reizvoll ungreifbar bleibt.
Gleichwohl das Album schnell seine unverkennbare Signatur offenlegt, offenbaren die einzelnen Stücke mit der Zeit ein ganzes Panorama an Schwerpunkten. “Árbol Negro” vollzieht eine berührende Rückkehr zur melancholischen Intensität, der sehnsuchtsvolle Gesang und das sanfte Trip-Folk-Feeling erinnern an die besten Ô Paradis-Momente. Die Naturbilder des schwarzen Baums, der wie die mythische Weltesche des Nordens Himmel und Erde verbindet, erzeugen eine feierlich-euphorische Stimmung, die dennoch von tiefer Wehmut durchzogen ist. Der den kleinen Teufeln gewidmete Song “Diablos Menores” überrascht durch seine subtile postpunkige Kantigkeit und das erdige, in den unteren Regionen wurschtelnde Saitenspiel. Demian wechselt gekonnt zwischen rezitativen Passagen und expressiven melodischen Momenten, während der Text die Komplexität des Ringen mit sich selbst und persönlichen Dämonen zu betonen scheint. Mit “Aquelarre” kehrt der Bass als eines der zentralen Element des Albums in vollem Umfang zurück, der Gesang, bei dem das Wort “nada” oft zu hören ist, bewegt sich zwischen stürmischen Synthie-Wellen und monotonem Knarren, wobei die kurzen melodischen Exkurse umso eindringlicher wirken.
Das vorletzte Stück, “Last Regrets”, ist eine Hommage an Ryuichi Sakamoto und erinnert mit seinen kurzen filigranen Synthiestrichen an ein verregnetes 80er-Jahre-Setting. Die feinsinnige, auf eine sanfte Wehmut abzielende Interpretation und der kreative Umgang mit minimalen Details verleihen dem Instrumentalstück eine Aura der Gelassenheit, bevor das Album mit dem quirlig poppigen “Elsa” und dem noch mal alle Register ziehenden “La Jaula del Perdón” in fast zyklischer Weise schließt. Hier dominiert wieder ein rauer, bluesiger Sound, und der Gesang schwingt sich zu emotionalen Höhen auf, die das bittersüße Ende “Los Jardines del Hades” markieren.
[...] In Demians Musik, ob als Ô Paradis oder solo konzipiert, scheint die Frage nach den Ausdrucksmöglichkeiten immer unterschwellig mitzuschwingen, und sei es nur in dem immer wieder anders gearteten Verhältnis zwischen individuellen – experimentellen, folkigen, poppigen – Stilelementen und den fundamentalen Gemeinsamkeiten, die sich in der einen oder anderen Form durch seine ganze bisherige Karriere ziehen. (U.S.)
Label: County Lapin