In den Jahrescharts einiger Publikationen (u.a. hier) fand sich zu Recht das Debütalbum von Tristwch y Fenywod, das in etwa so klang, als hätten frühe Spires That In The Sunset Rise ein Gothicalbum aufgenommen. Das hat insofern mit Thorn Wychs „Aesthesis“, einem weiteren großartigen Debüt, zu tun, als dass sich das Einfrauprojekt ebenfalls Folkelementen bedient – „Folk Magic with instruments made from Trees“ kann man auf ihrem Instagramaccount lesen – , um daraus eine völlig eigene wie eigenständige Musik zu kreieren.
Die Musikerin arbeitet in der englischen Kleinstadt Bacup als Instrumentenbauerin und konzentriert sich auf Holz von Bäumen, die im Vereinigten Königreich heimisch sind (Bergulme, Linde, Vogelkirsche, Eiche, Eibe). Auf dem Cover des Albums ist sie mit einem ihrer Instrumente zu sehen und im Inlay sind weitere abgebildet.
Dabei ist die auf “Aesthesis” zu findende Musik bestimmt keine, die sich ausschließlich Folktraditionen der Britischen Inseln bedient, sondern es finden sich immer wieder Stücke, die auf andere Kulturkreise verweisen. „Ouch Epi Ptoe“ eröffnet das Album mit leicht dissonantem Kratzen und Schaben. Der Gesang scheint von einer Wesensheit zu kommen, die in einer unbekannten Sprache Wörter intoniert. Auf dem instrumentalen „Out Of The Eater Came Something To Eat“ werden die Streicher von Perkussion begleitet, die den Eindruck erweckt, in einem dunklen Wald spielten little people zum Tanz. „The Blue Rose Of Forgetfulness“ kombiniert Perkussion und rituelle Gesänge. Trotz des englischen Tirels klingt das Gesungene wie Feldaufnahmen aus einem entfernten Dschungel. Wie auch andere Stücke (etwa „Ramble In The Brambles“ ) endet der Track mit dem Leiern des Tapes. Auf “Serpent Psalm“ klingt die Perkussion wie das Ticken einer nicht mehr ganz funktionstüchtigen Uhr, dazu kommen Flöte und Gesang. Auf „Auld Haunt“ klingen die Drones wie Sirenen, die eine singende Säge zu begleiten scheinen.
Auf zehn Stücken erschafft “Aesthesis” eine Aura und Atmosphäre des Mysteriösen, aus der Zeit Gefallenen. Dass Thorn Wych 2023 auf einem Album vertreten war, das Musik für The Wicker Man reimaginierte, passt sehr gut, denn vielleicht könnte man auf der (eigentlich vergeblichen) Suche nach Referenzen sagen, dass “Aesthesis” in etwa so klingt, als hätten Ak’chamel zusammen mit Wolfmangler und Timothy Renner einen Folkhorrorsoundtrack eingespielt. (MG)
Label: Hood Faire