Die meisten der in den letzten Jahren entstandenen Projekte David Tibets außerhalb von Current 93 – die Zusammenarbeit mit ZU als ZU93 auf dem kammermusikalischen „Mirror Emperor“, das opulenter instrumentierte mit Youth aufgenommene „Create Christ, The Sailor Boy“-Album (beide Alben erschienen ebenfalls auf House of Mythology) oder die Hommage an John Balance zusammen mit James Blackshaw – waren musikalisch sicher nicht so weit von Current 93-Arbeiten entfernt. Anders dagegen verhält es sich bei dem aus Tibet, Andrew Liles und dem anonymen „Shaitan Boy“ (ein anderer Otto Avery?) als Nodding God eingespielten Album – ein Projektname, der auf eine von Tibets frühe(re)n Obsessionen verweist.
Schon die Ästhetik macht deutlich, dass die Stimmung eine andere ist: Pazuzu(s) als Springteufel vor pinkem Hintergrund und die Darstellung der drei Beteiligten als Cartoonfiguren. Das spiegelt sich auch in der komplett elektronischen Musik wider. Wie soll man das nennen, was man auf den sieben Tracks hören kann? Retrofuturismus? Progressive auf einem C64 komponiert? Auf dem Opener „Trapezoid Haunting“ hört man Tibets elektronisch verfremdete Stimme, die aus Ištars Gang in die Unterwelt vorträgt (der akkadischen Version der sumerischen Göttin Innana). Dazu erklingen repetetive Synthpassagen, Arpeggios und auch die folgenden sechs Tracks sind ähnlich ausgerichtet. „Natron Skipping Rope“ lässt an Jahrmarktsmusik denken, man hört Lasershots. Auf „Xanthosis Sabbat Clock“ kann man inmitten des Akkadischen englische Wörter erahnen (“quicksilver”, “Mercury”). „Salamander Candy“ wird zwischendurch von seltsamen Schreien durchzogen. Bei aller Verspieltheit haftet manchen der Tracks allerdings durchaus ein Moment des Unheimlichen an, was auch, aber nicht alleinig, an der durch die Bearbeitung so nichtmenschlich klingenden Stimme liegen mag.
Sucht man im umfangreichen Werk Tibets nach (muikalischen) Referenzen, so kommt einem vielleicht noch am ehesten entfernt der „Love Dance Of The Nodding Folk“ in den Sinn, aber letztlich wird auf “Play Wooden Child” eine ganz eigene Welt entworfen. Tibets Arbeiten waren/sind häufig geprägt von einem Kontrast(ieren) von Erhabenem und Profanem: Zum 5-Uhr-Tee erscheint Pazuzu an der Tür. Der Gegensatz zwischen der ausgestorbenem akkadischen Sprache, von der auch Linguisten nicht genau sagen können, wie sie ausgesprochen wurde, und der pinken Ästhetik und der Musik könnte wahrscheinlich nicht größer sein. In einem anlässlich der Veröffentlichung gemachten Interview fasst es Andrew Liles vielleicht auch ganz gut zusammen: “For me Akkadian just sounds great, otherworldly, something Christopher Lee would recite at some nefarious ritual in a Hammer movie. High camp or high art – it’s all interchangeable for me.”
Wer das Album direkt beim Label bestellt hat, bekommt eine Zwei-Track-CD, auf der neben der Albumversion von “Calcination Totem Station” noch ein Remix des Tracks namens “In A Foreign LandScape” zu finden ist. Diese etwas dunklere Version wurde für den Soundtrack von “In A Foreign Town” komponiert, einem 11-minütigen Kurzfilm, der eventuell zu einer auf Kurzgeschichten Thomas Ligottis basierenden Anthologieserie ausgeweitet wird.
(MG)
Label: House Of Mythology