Begriffe wie Noise Wall mit verschiedenen weiteren Zusätzen kamen vor einigen Jahren in Mode und schafften es, bestimmte Geräuschkünste aus ihrer vermeintlichen Schmuddelecke in ein etwas helleres Licht zu holen – mit dem Risiko einer leichten Verhipsterung, wie man im vorigen Jahrzehnt gesagt hätte. Was sich durch diesen Tapetenwechsel nicht stark geändert hat, war die etwas einseitige Vorstellung von Lärmwänden als auf – kleine Ausnahmen wären vielleicht die Lush Noise-Arbeiten auf Abhorrend A.D. – immer wieder ähnliche Weise rau, so als ob buchstäbliche Wände immer nur mit der gleichen Raufasertapete überzogen sein müssten. Um das Bild überzustrapazieren, könnte man also sagen, dass der Tapetenwechsel nicht in jeder Hinsicht stattgefunden hat.
Eine weitere interessante Ausnahme mit Potenzial zur semantischen Begriffserweiterung ist der polnischen Soundartist Elektr0bath, der unter dem genretauglichen Titel “Ancient Noise Walls”, nicht zum ersten Mal übrigens, gerade einen interessanten Hybriden geschaffen hat. Als Basis nahm er sich das Setarspiel des iranischen Virtuosen M. Javad Ahmadzadeh vor und verwendete die klassischen Motive wie ein Muster in einer darum gebauten Klangwand, ohne dadurch eine plumpe Kontrastierung anzupeilen, sondern vielmehr ein in sich stimmiges Werk, dessen zusammenfügte Komponenten wie für einander geschaffen erscheinen.
Weit über den Auftakt des einen rund zwanzigminütigen Tracks geht ein auf Setar-Basis gebautes schwebendes Drone, das erst mal gar nicht so Noise-Wall-artig klingt, wie man es gerade bei dem oft als Lärmkünstler auftretenden Elektr0bath vermuten könnte. Manchmal kommt es zu leiseren Passagen, die Musik zieht sich zurück in die Systole und lässt so die Ornamente des Instruments deutlicher in den Vordergrund treten, bis dieses sich wieder in die Wand zurückzuziehen scheint – doch vielleicht ist dies auch nur ein Effekt der hypnotischen Wirkung, welche die Musik entfaltet. Gleichwohl diese von einer durchaus sanften Beschaffenheit ist und eine gleitende Bewegung einnimmt, erweist sie sich als zu schnell und aufgewühlt, um Ambient genannt zu werden. Einen Raum klanglich auszufüllen, in den es sich einzutauchen lohnt, vermag sie aber allemal.
Das Werk erscheint – mit kongenialem Fotomaterial des Fotografen Hamidreza Sheikhmorteza übrigens, welches vielleicht den “alten” Aspekt des Konzepts unterstreicht und der Musik eine weitere Facette ihres ganz eigenen Gepräges gibt – in der von Post Orientalism Musik kuratierten “Radif of Iranian Music”-Reihe, in der die Betreiber und die beteiligten Acts den für einen mündlich tradierten Kanon an melodischen Patterns der iranischen Musik stehenden Radif-Begriff neu (Vorsicht Kulturwissenschaftlersprech) verhandeln.
Elektr0bath hat bereits vor einigen Monaten einen Betrag zu der Reihe produziert, damals in Bearbeitung einiger Kamānche-Motive der iranischen Musikerin Niloufar Shahbazi, die viel rauer ausgefallen ist und zusammen mit “Ancient Noise Walls” demonstriert, wie unterschiedlich mal den Wall-Begriff, den persischen Radif, aber generell auch die Ästhetik der Begegnung von Klassik und Noise angehen kann. (U.S.)
Label: Post Orientalism Music