In ihrer Interpretation des „Sinnerman“, die zu den aufwühlendsten und mitreißendsten Liedern der Welt zählt, lieh Nina Simone nicht nur dem von Gott abgefallenen und verzweifelt um Erlösung flehendem Sünder ihre herbe Stimme – sie ließ das Gefühl kosmischer Unbehaustheit auch mit dem wütend in die Welt geschleuderten Wort „Power“ zusammenprallen. Dieses Hand in Hand-Gehen von Verzweiflung und Aufbegehren mag ein ganz ursprünglicher Zug der sogenannten negro spirituals sein (man denke an den „Freedom“ skandierenden Ritchie Havens während seiner Darbietung von „Motherless Child“ in Woodstock) – ich denke aber auch, dass sich darin eine der typischen Seiten der Sängerin verkörpert, und vielleicht ist dieses Überführen von Leid in Kraft ja mit ein Grund dafür, dass sie von vielen zu den stärksten Stimmen des 20. Jh. gezählt wird und etliche Musiker beeindruckt und beeinflusst hat.
Auch in „Mississippi Goddamn“, ihrer Abrechnung mit dem Rassismus in den Südstaaten der USA, findet sich diese in Wut und Galgenhumor überführte Verzweiflung, die der Sisyphos-Stimmung derer Ausdruck verleiht, denen lange Zeit nicht anderes übrig blieb, als ihren Stein mit einem Augenzwinkern zu rollen. Wesentlich erschütternder ist das thematisch ähnliche „Strange Fruit“, das in makabrer Symbolik die häufigen Lynchmorde bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts anprangerte: „Pastoral scene of the gallant south“, doch das Motiv, das sich da im vom Duft der Magnolien erfüllten Idyll abzeichnet, gibt dem Wort Galgenhumor eine schockierende Buchstäblichkeit. Vielleicht ist es diese Stimmung, die der Aufgelöstheit ebenso nah kommt wie der Ironie, die ihre Version vom Original Billie Hollidays unterscheidet, eine Melancholie letztlich, die niemals ins Weinerliche abdriftet, selbst bei einem so sentimentalen Stück wie „Oh Lord, please don’t let me be misunderstood“. Aufgewecktes mit viel Kolorit wie das Shantie „Sea-Linen Woman“ bekam durch eben dieses unbestimmte Gefühl eine souveräne Erdung.
All diese Stücke würde man vermutlich auf einer Doppel-CD erwarten, die das Wort „Ultimate“ im Titel trägt, aber wer sich zum Einstieg die vorliegende Compilation zulegt, wird kaum einen ihrer bekannten Welthits darauf finden. Statt ihrer Version von Jacques Brels „Ne me quitte pas“ oder ihrem aus der Werbung (war’s Kaffee?) bekannten „My Baby Just Cares for me“, an denen man sich vielleicht ohnehin schon etwas satt gehört hat, gibt es hier weniger bekanntes zu entdecken. Auch die hier vorgenommene Auswahl zeigt, wie schwer es ist, die Sängerin und Pianistin eindeutig zu verorten, wenige der Songs sind einfach nur Jazz. Dass ihre Wurzeln im klassischen Blues lagen, ist unschwer Songs wie „Gimme the pigfoot“ oder dem derben „Gin house blues“ zu entnehmen, in der das Abgeklärte und bisweilen Burschikose erneut zur Geltung kommt. Den Gegenpart bilden stilisierte Musical-Schmonzetten wie „Tomorrow (We will meet once more)“. Es gibt ferner Ausflüge in den Calypso (“Forbidden Fruit”), in nebelverhangenen englischen Folk (“Black is the colour of my true love’s hair”) und auf Roma gemachte Schlager (“Golden Earrings”, bekannt auch durch eine Interpretation Alexandras). Highlights sind das derangierte „My Ship“ und eine nächtlich trunkene Livedarbietung von „House of the rising sun”.
Bei einer herausragenden Musikerin wie Nina Simone bedarf es keiner herausragenden Zusammenstellung für einen ersten Einstieg, und mit dieser Compilation kann man das Pferd prima von hinten aufzäumen und bekommt einen dezenten Einblick in ein Werk, das Nachfolgern wie Diamanda Galas, Antony Hegarty, Little Annie und manch anderen so viel gegeben hat. Für die Standardnummern empfehle ich eine Runde stöbern auf dem nächsten Flohmarkt.
Label: EMI Music Belgium