SIX ORGANS OF ADMITTANCE – Interview

Ben Chasny veröffentlicht seit 1998 unter dem Namen SIX ORGANS OF ADMITTANCE. Dabei schien sein Gitarrenspiel insbesondere auf den frühen Aufnahmen von indischen Ragas beeinflusst. Chasnys Musik ist im besten Sinne des Wortes psychedelisch und jenseits einfacher Kategorisierungen, denn auch wenn anfangs die Musik starke Folkelemente aufwies, machen gerade die jüngsten Veröffentlichungen deutlich, dass eine Zuordnung in momentan allzu beliebte Genres nur bedingt funktioniert. Neben seinem Hauptprojekt ist Ben Chasny seit einigen Jahren Mitglied von COMETS ON FIRE, mit denen er dem Noiserock frönt, er hat als AUGUST BORN veröffentlicht und spielt Gitarre bei BADGERLORE und CURRENT 93.

Wir haben den Eindruck, dass jedes deiner Alben eine ganz eigene Stimmung hat. Gibt es so etwas wie ein “Konzept”, bevor du mit dem Schreiben und den Aufnahmen beginnst?

Ich denke schon. Auf gewisse Weise schreiben sich die Alben selbst. Bei “The Sun Awakens” wusste ich, dass es heavier als der Vorgänger sein sollte. Beim Klang eines Albums geht es mir um Dichte.

“Compathia” scheint das Album zu sein, auf dem der Gesang am meisten dominiert. Welche Rolle spielen deine Texte? Hast du schon einmal darüber nachgedacht, sie abzudrucken?

Ich verbringe tatsächlich viel Zeit damit, meine Texte zu schreiben, selbst wenn sie etwas untergehen und es vielleicht den Anschein hat, dass ich nicht viel Zeit dafür aufwende. Normalerweise sind es Abstraktionen des Alltagslebens. Ich bin kein großer Sänger, aber ich mag es, auf den Alben den Klang einer menschlichen Stimme zu haben, damit man einen Bezug zur Musik bekommt.

Die Sonne taucht häufig bei dir auf (z.B. im Titel des letzten Albums, in Tracks wie “Only The Sun Knows”, “Hollow Light Severed Sun”, du sagst auch, dass “Freundschaft Sonne ist”). Gibt es da eine besondere symbolische Bedeutung für dich?

Ich denke schon, aber ich habe sie bislang noch nicht genau gefunden. Auf einer ganz einfachen Ebene kann ich sagen, dass meine Stimmung sehr stark von der Sonne beeinflusst wird. Ich habe vielleicht eine Art von Jahreszeit bedingten Stimmungsschwankungen. Inzwischen ist das wahrscheinlich ein neurotischer Tick. Ich kann da nichts dran machen.

Das Artwork der letzten beiden Alben ist ähnlich. Gibt es da eine lose Verbindung zwischen den beiden?

Mein Freund Steve Quennell hat für beide das Artwork gestaltet und er hat eine recht beständige Ästhetik. Die Alben hängen nicht wirklich miteinander zusammen, abgesehen davon, dass “The Sun Awakens” versucht, etwas heavier als der Vorgänger zu sein.

Man hat den Eindruck, dass auf den frühen Veröffentlichungen (“s/t”, “Dust And Chimes) der Einfluss von indischen oder östlichen Musiken stärker war als auf den neueren Alben. “The Sun Awakens” hat fast schon einen amerikanischen Touch (zumindest bei den ersten Tracks). Würdest du das auch so sehen?

Ich war nie so sehr von östlicher Musik beeinflusst als vielmehr von Bands, die von östlicher Musik beeinflusst waren. Ich denke, es liegt an den Droneelementen, die sich eben auch in östlicher Musik finden, deshalb zieht mancher da eine Verbindung. Mir ist eine Unterscheidung von Osten und Westen nicht bewusst.

Ich habe mal in einer Rezension geschrieben, dass “The Sun Awakens” ein ideales Album für Vinyl ist, weil es da die kurzen Tracks gibt und dann eben “River Of Transfiguration”. Ich würde sagen, dass der Kontrast zwischen den kurzen Tracks auf “For Octavio Paz” und “The Acceptance Of Absolute Negation” nicht so scharf ist, wie auf deinem aktuellen Album. Denkst du, dass diese Tracks zwei Seiten der Medaille zeigen?

Auf gewisse Weise schon, da beide Tracks sehr lang sind. Allerdings wurden sie auf völlig verschiedene Weisen geschrieben. “Negation” ist eine Improvisation auf der Akustikgitarre, bei der ich mit verschiedenen Themen arbeitete. Bei “River” hatte ich alles schon vorher geschrieben. Ich musste die Stücke nur noch aufnehmen. Es ist also eine ähnliche Hörerfahrung, die aber auf verschiedene Weisen zustande kommt.

“River Of Transfiguration” hat fast schon metaphysische Qualitäten und im CD-Tray kann man Hände, die zum Gebet ausgestreckt sind, sehen. Du hast mal gesagt, dass du nicht religiös bist. Denkst du trotzdem, dass (deine) Musik eine metaphysische Qualität haben kann?

Ich denke, die kann jede Musik haben. Ich glaube, das liegt in der Natur der Transzendenz. Ich würde nicht sagen, dass das bei meiner Musik eher der Fall ist als bei anderer. Ich fühle mich nur zu gewissen Bildern hingezogen, wie z.B. zu diesen Händen, aber sie weisen auf nichts anderes hin als auf eine gewisse Ästhetik.

Du hast ein fast komplett instrumentales Album “For Octavio Paz” genannt. Der Titel “The Sun Awakens” bezieht sich auf eine Gedicht des gleichen Autors. Welche Rolle spielen nichtmusikalische Quellen im Allgemeinen und was ist die Relevanz von Octavio Paz im Besonderen?

Er ist’s einfach! Es ist schwer für mich, darüber zu reden, weil ich kein Mann der Worte bin. Ich kann einfach absolut nachvollziehen, wie sein Gehirn gearbeitet hat. Als ich sein Buch “Verbindungen – Trennungen” las, war es, als ob ich mir ein Abbild meines Gehirns anschaute. Ja, er ist eine fortwährende Quelle der Inspiration.

Du hast erwähnt, dass deine Sicht der Natur der von W. Herzog ähnelt (bezogen darauf, dass es Chaos und Tod gibt; Tennyson schrieb in seinem berühmtesten Gedicht “In Memoriam”: “Nature [is] red in tooth and claw”). Ich musste an die Eröffnungsszene aus David Lynchs “Blue Velvet” erinnert, in der die Kamera auf den Boden zoomt und den Kampf von Insekten zeigt. Würdest du sagen, dass du nicht allzu glücklich über naive und romantische Betrachtungsweisen der Natur bist?

Oh, ich denke, dass sie ihre Berechtigung haben. Alles hat seinen Platz. Wer kann sagen, was naiv ist? Vielleicht ist Naivität näher an der Natur. Ich will da kein Urteil fallen. Nur sehe ich persönlich die Natur nicht als einen wundervollen Garten.

Wie schaffst du es eigentlich, so viele verschiedene Projekte am Leben zu halten?

Nicht gut! Eine ganze Menge kochen gerade auf niedriger Flamme, so dass ich mich auf SIX ORGANS konzentrieren kann.

Sollen COMETS ON FIRE und SIX ORGANS zwei verschiedene Wesen sein? Sind einige der krachigeren Passagen auf “The Sun Awakens” von deiner Mitgliedschaft in COMETS ON FIRE beeinflusst worden? Repräsentieren diese Projekte verschiedene Facetten deiner Persönlichkeit?

COMETS hat SIX ORGANS in keinerlei Hinsicht beeinflusst. Ich habe laute psychedelische Musik gespielt, lange bevor ich bei COMETS mitgemacht habe. Es ist tatsächlich so, dass ich mir gewünscht hätte, dass das letzte COMETS-Album lauter und harscher gewesen wäre, aber was kann man machen? Aber du hast Recht, dass ich beide Bands voneinander trennen möchte. Ich trete nicht mit beiden Bands irgendwo gleichzeitig auf.

Du hast gesagt, dass du zumindest in den frühen Abendstunden gerne ein Nihilist bist. Kannst du kurz etwas dazu sagen und spiegelt sich das in der Musik wider?

Oft sage ich Dinge nur zum Spaß. Ich würde das, was ich sage, nicht allzu ernst nehmen. Ich nehme meine Musik ernst, aber wenn mich Leute nach anderen Sachen fragen, fällt es mir schwer, bezüglich meiner Einstellungen ernst zu sein – zumindest wenn es darum geht, sie mit anderen zu teilen. Weißt du, es ist meine Sache, wie sehr ich die Welt liebe oder hasse. Interviews sind witzig, weil man erschaffen kann, was immer man will. Außerdem bin ich eine Art wandelnder Gegensatz.

Du hast ein paar limitierte Sachen veröffentlicht. Z.B. das Splitalbum mit den CHARALAMBIDES, dann das Album “Nightly Trembling”– um nur ein paar zu nennen. Gibt es Pläne bezüglich einer Wiederveröffentlichung (ich weiß, dass “Nightly Trembling” wiederveröffentlicht wurde, aber inzwischen ist es auch wieder schwer ein Exemplar zu bekommen)?

Momentan gibt es keine Pläne, aber ich mag es, wenn meine Veröffentlichungen erhältlich sind. Es ist unnötig, dass irgendein Idiot die Sachen zu einem hohen Preis verkauft, wenn Musik, die gemacht wird, dann gehört werden sollte, wenn Leute sie hören wollen. Ich wünschte mir, dass alles erhältlich wäre.

Es gibt Pläne, dein Label Pavilion wiederzubeleben.. Gibt es Pläne bezüglich künftiger Veröffentlichungen?

Ja. Es ist nur so, dass die Bands, die ich veröffentlichen will, ihrem eigenen Zeitplan haben. Es gibt eine tolle Band aus Seattle namens WINGED LADY, mit der ich arbeiten werde. Einige andere ebenfalls.

Gibt es besondere Erinnerungen von der CURRENT 93-Tour? Wirst du mit David auf dem nächsten Album arbeiten? Welche Pläne gibt es bezüglich der Zusammenarbeit von dir, David und Stephen O’Malley?

Wir haben schon in der Vergangenheit darüber gesprochen, etwas aufzunehmen und hoffentlich wird sich das demnächst ergeben. Es ist schwierig, wenn wir alle drei andere Projekte haben. Meine lustigste Erinnerung von der CURRENT 93-Tour ist die, als David Tibet sich spät in der Nacht aus seinem Hotelzimmer ausgesperrt hatte und er in seinen Bugs Bunny-Pyjamas durch die Flure lief. Wir fanden ihn um sieben Uhr morgens, als er sich hinter dem Tresen mit dem Portier “Little House On The Prairie” ansah. Seltsam!

Gab es Momente, an denen du merktest, dass es unmöglich wurde, mit einem anderen Künstler zusammenzuarbeiten?

Ja. Besonders bei denen, die schon verstorben sind.

Wird es in der Zukunft SIX ORGANS-Konzerte in Deutschland geben?

Ich hoffe, aber bisher steht noch nichts fest.

Was können wir von dem Auftritt in Krems erwarten?

Es sieht nach einer ganzen Menge Spaß aus. Viele tolle Leute werden da spielen.

(M.G., D.L., S.L.)

sixorgans.com