ANDREW LILES: Mind Mangled Trip Monster

Schaut man sich den Output des in Brighton lebenden Liles an, kann man meinen, er sei ein Besessener: Kaum ein Monat vergeht, in dem er nicht solo oder in Zusammenarbeit mit anderen etwas veröffentlicht, dabei scheint er Serielles zu schätzen (man denke etwa an die archivarische „Vortex Vault“-Reihe). Einige von Liles Veröffentlichungen zeigen zudem, wie sehr er an der (Zusammen-)Arbeit mit Sängern  interessiert ist (u.a. steuerten Ernesto Tomasini, Rose Mc Dowall, Karl Blake oder Danielle Dax Vocals zu Liles’ Veröffentlichungen bei). Am kohärentesten und konsequentesten gelang dies bislang auf der Femme Fatale-Inszenierung „No Birds Do Sing“ mit Diana Rogerson.

Liles ist zudem einer derjenigen, der a) in keine der von Asmus Tietchens in seinem (augenzwinkernden) Essay „Warum denn überhaupt Geräuschmusik“ aufgestellten Kategorien von Geräuschmusikern fällt und der b) stark am Song interessiert ist. Wir wiesen schon in unserem Gespräch mit ihm auf das „Unterhaltungspotential“ seiner Musik hin, er selbst sagte in selbigem Interview, er höre songorientierte Musik privat häufiger als so genannte experimentelle und ihm gefielen Melodien, „die einen zum Fußwippen animieren“. Inwiefern diese angesprochenen Aspekte für „Mind Mangled Trip Monster“ relevant sind, wird zu zeigen sein.

Das Album  ist Teil der „Monster“-Serie, die „geschmacklos, knallbunt und überzogen“ (O-Ton Liles) sein soll und sich aus einem Gedicht entwickelte, das er geschrieben hatte. Dieses Überzogene, Cartooneske und Grelle prägte auch die „Monster Munch“-7’ (visuell wie musikalisch), die auf diesen Seiten extensiv besprochen wurde. Auf „Mind Mangled Trip Monster“ finden sich diese Elemente primär beim Cover und partiell bei den Texten, die darauf enthaltene Musik ist nämlich wesentlich weniger grotesk und übersteigert, fast könnte man soweit gehen und von einem sehr Song orientierten Album zu sprechen. Der fast schon sakrale Gesang von Elisabeth Oswell, die mit ihrer Stimme auch den Rest des Albums prägt, gibt dem passend betitelten Opener „Dawn Chorus“ in Verbindung mit leicht orientalisch klingenden Geräuschen eine Atmosphäre, die durchaus an Dead Can Dance erinnert. „Atomicity, Consistency, Isolation, Durability“  ist mit Sprechgesang, rückwärts abgespielten Stimmen, seltsamen Geräuschen, hektischer Perkussion und Vogelstimmen von Uhus und Krähen sicher einer der „experimentellsten” Tracks auf diesem Album und was Konzeption, Klangbild und Humor anbelangt, vielleicht gar nicht so weit von NWW entfernt, mit denen Liles seit dem Auftritt im Narrenturm in Wien regelmäßig arbeitet. „Midsummer Nightmare“ beginnt mit der Aufforderung: „Come frolic with me“, der Gesang von Oswell ist zurückgenommen, leicht distanziert und wird hauptsächlich von einer Akustikgitarre begleitet. „Twilight/Flashback“ beginnt mit Klangflächen und sphärischem Harfenspiel, bevor auch hier wieder eine Akustikgitarre hinzukommt, dann kommen  Drones und Sprechgesang und all diese Elemente verleihen dem Stück einen gewissen traumhaften Charakter. „Wilderness”, das im Original auf Joy Divisions Debüt „Unknown Pleasures“ zu hören war, erkennt man erst, als der Text einsetzt, so sehr machen sich Liles und Oswell diesen Track zueigen. In meinem nur bedingt vollständigen und ernstgemeinten Kategorisierungsversuch von Typen von Coverversionen, die ich anlässlich von Liles’ Current 93-Interpretation „Where The Long Shadows Fall“ aufgestellt habe, fiele diese Interpretation in die Kategorie „Assimilierung“, so sehr wird das Stück musikalisch in den Rest des Albums eingefügt.  Thematisch mag die im Ansatz zu findende Religionskritik „(„I travelled far and wide to prisons of the cross“) an „Midsummer Nightmare”, wo es heißt: „This is the beginning/the end/the god delusion/to burn the sky/the penultimate conclusion” oder an das atmosphärisch dichte „Celestial Orb (Dead Star Sedentary)” anknüpfen.

„Mind Mangled Trip Monster“ befindet sich im Spannungsfeld zwischen (im weitesten und positivsten Sinne) Pop und Experiment und auch wenn man – um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen –  vielleicht nicht durchgängig mit dem Fuß wippen möchte, so hat man doch das Bedürfnis das eine oder andere Lied unter der Dusche zu trällern. In einer Welt, in der der Widerhall von Musik nicht vom profanen Sich-zur-Schau-Stellen in Castingshows abhängig wäre, könnte dieses Album auch in den (inzwischen merklich geschrumpften) CD-Regalen von großen Ketten wie Saturn oder Mediamarkt stehen. Die Frage ist allerdings: Will man das wirklich?

(M.G.)