CUT HANDS: Afro Noise I

Spätestens als 1997 auf Susan Lawly „Extreme Music from Africa“ erschien, wurde klar, dass William Bennett sich für den dunklen Kontinent interessierte, ein Interesse, das sich allerdings erst 2003 auf dem WHITEHOUSE-Album „Bird Seed“ musikalisch manifestieren sollte (es sei denn, man folgt denen, die behaupten, die auf oben genannter Compilation vertretetenen Projekte wie ROROGWETA oder THE MBUTI SINGERS seien alles Pseudonyme von Bennett selbst gewesen, was beim erneuten Hören des Albums in unmittelbarer Nähe zu CUT HANDS nicht ganz so abwegig erscheint). Wenn im Booklet der Compilation Afrika damals u. a. als „dark continent of the tyrants, the beautiful girls, the bizarre rituals, the tropical fruits“ apostrophiert wurde, so hatte das den etwas schalen Beigeschmack des westlich-kolonialen Blicks, die Verortung Afrikas als exotischen, aber auch barbarischen Ort, Hort des Grauens, der sich auch immer ergiebig (z.B. in Exploitationfilmen) ausschlachten ließ (man verzeihe mir das nicht intendierte Wortspiel). Und natürlich deutet auch der Name des neuen so genannten Afro Noise-Projektes auf das Gewalt(tät)ige Afrikas hin, wobei Bennetts Kommentare der letzten Jahre über somalische Piraten etc. eher auf Respekt als auf den herablassenden Blick des weißen Mannes schließen ließen.

Nach Jahren der Ankündigung, Liveauftritten und Vorabmixen erscheint nun das erste Album und es lassen sich durchaus einige Veränderungen feststellen: So wurde das Artwork nicht – wie ursprünglich vorgesehen – von Stefan Danielsson gestaltet, der für das Cover des bislang letzten WHITEHOUSE-Albums „Racket“ verantwortlich war und auch Poster für CUT HANDS-Auftritte machte. Über die Gründe kann man nur spekulieren: Vielleicht gefiel es dem für seinen Kontrollzwang bekannten Bennett nicht, dass das letzte IRM-Album ebenfalls von Danielsson gestaltet worden war, vielleicht war Bennett aber einfach der Meinung, dass das Artwork von Mimsy Deblois (die mit ihm zusammen das zweistündige, vergangenes Jahr in der Tate Modern uraufgeführte Stück „Extralinguistic Sequencing“ konzipierte) passender sei, denn ihr Artwork wirkt primitiver als das von Danielsson und auf gewisse Weise reduzierter oder aber „asketischer“ (um einen für Bennetts Arbeit der letzten Jahre so wichtigen Begriff zu verwenden).

Das Album beginnt relativ unspektakulär mit „Welcome to the Feast of Trumpets“: monotone, zurückhaltene Perkussion wird mit Flöten (?) kombiniert und der zweite Teil des Neologismus Afro Noise kommt – wie übrigens auch auf dem Rest des Albums – sehr kurz (und das ist erst einmal rein deskriptiv, nicht wertend zu verstehen). „Stabbers Conspiracy“ ist dagegen von wesentlich hektischerer Perkussion und Polyrhythmen geprägt, klingt afrikanischer, treibender und scheint ähnlich wie das merkwürdig betitelte „Who No Know Go Knows“ ausschließlich auf verschiedenen Perkussionsinstrumenten eingespielt worden zu sein (auf diesen beiden Stücken wird also aus der früher extremen elektronischen Musik, die auf den letzten Alben zu extremer elektronischer und akustischer Musik wurde rein akustische Musik (ob extrem oder nicht sei einmal dahingestellt)). Das unangenehm betitelte „Shut Up and Bleed“ wird ebenfalls von hektischer Perkussion bestimmt, allerdings kommen noch (als Reminiszenz an die Vergangenheit?) fiese hochfrequente Töne hinzu (natürlich verweist dieses Stück zusammen mit dem Projektnamen auf Geschehnisse auf dem afrikanischen Kontinent, für die sich der Westen oftmals kaum noch interessiert). „Rain Washes Over Chaff“ ist weniger hektisch, ist ein atmosphärisch-dichtes Stück, das eine unheilvolle Stimmung kreiert, wobei dieses Unheilschwangere primär auf einer rein assoziativen Ebene abläuft. Dieses Stück könnte ebenso wie „Impassion“ (dezente Perkussion, dröhnende Klangflächen im Hintergrund) als Schnittstelle zwischen den treibend-perkussiven Stücken auf der einen und den atmosphärisch-flächigen Stücken auf der anderen Seite gesehen werden: „++++ (Four Crosses)“ zum Beispiel ist eine dichte Klangfläche, die durch die eingesetzten Flöten etwas an David Jackmans ORGANUM erinnert. Der Abschlusstrack “Rain Washes Away Every Thing“ ist da vielleicht trotz seiner Länge von 2.30 Minuten der Höhepunkt dieser soundtrackartigen Stücke (was genau der Regen wegwaschen wird, möchte man natürlich nicht wirklich wissen). Interessanterweise sind die atmosphärischen Stücke des Albums meines Erachtens die stärksten – ebenso wie von den drei hier zu findenden, ursprünglich auf den letzten WHITEHOUSE-Alben veröffentlichten Stücken „Bia Mintatu“ am intensivsten ist (bezeichnenderweise gehören diese drei Tracks zu denen, die vergangenes Jahr von ZEITKRATZER auf ihrem Album “Whitehouse Electronics” interpretiert wurden). „Transcendence through excess“, wie es in den Linernotes in einem leicht anderen Kontext heißt, ist das nicht unbedingt, auf der anderen Seite tut man dem Album allerdings noch mehr Unrecht, wenn man es in die Kategorie New Age packt (so wie die i-Tunes-Datenbank).

(M.G.)