DEATH IN JUNE: Peaceful Snow

Die Beurteilung der DIJ-Veröffentlichungen der letzten Jahre wird von geradezu manichäischen Gegensätzen geprägt, gibt es doch einerseits diejenigen, die die einschließlich seit dem 2001 veröffentlichten Album “All Pigs Must Die“ gemachten Aufnahmen kategorisch als musikalisch wie ästhetisch wenig inspiriert abtun, andererseits die  – primär die Adepten, die die DIJ-Mailinglist bevölkern – so an Douglas P.s Lippen hängen, als tropfe “Gottes goldenes Sperma“ von denselbigen und dabei jedes Wort und jede Veröffentlichung des Meisters so begierig aufsaugen, dass Kritikfähigkeit keinen Platz mehr hat.

Douglas P. sprach bezogen auf die immer spärlicher werdende Instrumentierung der letzten Jahre von einer “Dekonstuktion“ der Musik, dabei hat er aber (bewusst oder unbewusst) genauso an einer Dekonstruktion des Images gearbeitet und dazu muss man noch nicht einmal notwendigerweise auf seinen kurzen Ausflug ins Pornogeschäft verweisen. Das Artwork der letzten Veröffentlichungen, das die Mystik der Vergangenheit durch grelle Jahrmarktatmosphäre ersetzte, ist ein viel zentralerer Punkt  – von der mangelnden Muse ganz zu schweigen. Exemplarisch für die Desillusionierung manch eines Fans kann Jonathan Deans auf Brainwashed veröffentlichter Verriss von “The Rule of Thirds“ stehen, der damit schloss, dass  die Langeweile der Aufnahmen fast schon schwerer als die ganzen ideologischen Fragwürdigkeiten wiege.

Nachdem oben genanntes Album fast ausschließlich auf die Gitarre und einige Samples reduziert war, findet nun eine Konzentration auf das Klavier statt: Dabei spielt der in London lebende slowakischstämmige Musiker Miro Snejdr die von Douglas P. komponierte Musik ein, der Wahlaustralier selbst singt lediglich. Warum das Album ein künstlerischer Fehlschlag ist, liegt an mancherlei. Da wäre zuerst einmal die musikalische Seite, da das so genannte “Klavier“ leider nur ein Keyboard ist und sich auch genauso anhört. Dass die dahinplätschernden Akkorde zudem lediglich von den immer gleichen Effekten unterstützt werden (Douglas’ verfremdete Stimme), macht es auch nicht besser. Textlich ist das Album ebenfalls wenig originell. Auch wenn DIJ sicher immer ausschließlich ein Vehikel für die persönlichen Obsessionen von Douglas P. war, hat man inzwischen den Eindruck, dass es nur noch um die eigene Befindlichkeit geht (so in etwa wie bei einer Runde alter Männer, die sich beim Urologen von ihren Prostataleiden erzählen).

Ressentiment und Zorn können prinzipiell von manchen kreativ überzeugend kanalisiert werden, aber inzwischen hat das bei DIJ etwas Gebetsmühlenartiges, das nur noch ermüdet: “Don’t darken my doorstep again“ heißt es direkt zu Beginn bei “Murder made history“, man vertraut nur noch auf die eigenen “Instinkte“ (“Fire Feast“), stilisiert sich wieder einmal zum “Gejagten“ (Titeltrack), dessen Leben “belagert“ ist (“Life under siege“), man beklagt die geringe Widerspenstigkeit anderer (“Deformity in conformity/I found this“ (“A Nausea“) , “the path of least resistance leads to cemetery cove” (“Cemetary Cove“)), es wird “beschuldigt” (“Wolf Rose“), “Verräter“ schauen um die Ecke (ebenda) und Hass ist immer noch federführend: “Hatred is my best friend on red Odin’s day” (“Red Odin Day“). Dass Douglas P. in einem aktuellen Interview behauptet, er wolle nicht in der Öffentlichkeit masturbieren, überrascht dann irgendwie schon.

Das ganze wird nicht dadurch besser, dass der eigenen künstlerischen Tätigkeit in Interviews und Forenbeiträgen mit bedeutungsschwangeren Floskeln ein Moment des Auratischen verliehen werden soll. Da wird Ideenlosigkeit als “purity of intent“ verklärt, vermeintlich originelle Genrebezeichnungen sollen über lieblos dahingeschrammelte Versionen alter Songs (“Totenpop“) und Fahrstuhlmusik (“Lounge Corps“) hinwegtäuschen oder aber man behauptet, die Entscheidung, dem Album diesmal kein Booklet beizulegen, trage zur Vieldeutigkeit der Songs bei –  dabei sind die Texte diesmal zumindest teilweise so wenig poetisch, dass kaum noch Interpretationsspielraum bleibt: “I’ve been looking through this list of late/some memories not so good/some great“ (“My company of corpses“).

Man muss fragen, was schlimmer ist: Das misslungene eigentliche Album, das durch den Gesang und einige Melodien Momente, vielleicht inzwischen nur noch Fragmente, von Talent durchschimmern lässt und gerade deswegen umso schmerzlicher verdeutlicht, was verlorengegangen ist oder aber die den ersten 3000 Exemplaren (wie viele werden eigentlich verkauft werden?) beiliegende Bonus-CD mit instrumentalen “Lounge Corps“-Versionen alter Klassiker, die dann ohne Gesang wirklich völlig zum Fahrstuhlmuzak degenerieren.

Die Zeilen “If we don’t neutralize decay/we may run out of tomorrows“ aus dem besten Stück “Neutralize decay” sind sicher anders gemeint, ließen sich aber auch gut als Kommentar auf Douglas P.s im “Fort Nada“ erdachten “Dekonstruktionen” lesen. (J.M.)