LAETITIA SADIER: The Trip

Wer den Namen Laetitia Sadier hört, denkt zunächst an STEREOLAB, jene experimentierfreudige Londoner Band, die mit als erste den Stempel „Post Rock“ verpasst bekam und sich bereits durch eine Gemeinschaftsarbeit mit NURSE WITH WOUND verdient gemacht hatte. Zu Beginn der 90er wurde die Band nämlich von Sadier und ihrem damaligen Partner Tim Gane aus der Taufe gehoben, und ihr etwas spröder Gesang galt seither als eines der Markenzeichen der Band. Nach fast zwanzig Jahren legte die Gruppe letztes Jahr ihre Aktivitäten auf Eis, und auch Sadiers kurz zuvor gegründetes Seitenprojekt MONADE verkündete schon kurz darauf das Ende seiner Schaffenszeit. Mit „The Trip“ liegt nun das erste offizielle Soloalbum der gebürtigen Französin vor.

Ihre neuen Songs stellte Sadier erstmals vor einigen Monaten vor, indem sie einem neugierigen Konzertpublikum einige auf das Allerwesentlichste, nämlich E-Gitarre und Gesang, reduzierte Versionen ihrer neuen Songs präsentierte. Das Album allerdings wurde mit einer fünfköpfigen Band eingespielt, die dem Resultat eine satte, aber keineswegs überladene Materialität verpasst hat. Was stilistisch dabei herauskam, hat ein bisschen was von der leicht unterkühlten Version des „Pop für den Sommer“, versprüht einen wohlig-entspannten, aber nicht wirklich oberflächlichen Easy Listening-Charme, der allenthalben zitathaft wirkt, da der „alternative“ Hintergrund und die „sophisticated aura“ der Sängerin doch alle paar Takte zu spüren sind.

Um einem Eindruck entgegen zu wirken: „The Trip“ ist keineswegs kopflastig, die elf Songs passen eben vom Flair sehr gut in eine Zeit, in der loungiger Pop und Morricone-Scores mit dem einen obligatorischen Ohrwurm-Song eher von einem studierenden Indie-Publikum goutiert und verkultet werden, statt wie in ihrer Entstehungszeit als bloßes Entertainment zu gelten, und es tut der Leichtigkeit der Kompositionen keinen Abbruch. Gelungen konterkarierend wirkt dagegen die Tatsache, dass das Album in textlicher Hinsicht alles andere als nur netten Pop zu bieten hat. Viele der Stücke haben einen ausgesprochen persönlichen Charakter und sind von ernster Thematik, nämlich der Reflexion über den frühen Tod von Laetitias jüngerer Schwester Noelle. Einige der Songs behandeln das Thema sehr direkt, wie das fast punkig-treibende „One Million Year Trip“, andere wiederum sind sehr bildreich, wie etwa „Fluid Sand“ oder das berührende „Statues Can Bend“.

Sadier wirkt jedoch selbst in ihren ernsthaftesten Momenten kaum bitter, verknüpft Ehrlichkeit mit Daseinsfreude und trifft dabei mit ihrer leicht ins Herbe tendierenden Stimme immer den rechten Ton. Sternstunden der Populärkultur kommen ihr da als Referenzmaterial gerade recht, und LES RITA MITSOUKOs funkiger Tanzflächenfüller „Un Soir Un Chien“ fügt sich als Cover ebenso passend ein wie das mir unbekannte „By The Sea“ von WENDY & BONNIE. Viele der Songs umweht dank des Gitarrenanschlages ein relaxter Bossa Nova-Charme, vielleicht beabsichtigt, vielleicht auch nicht, und mehr als einmal musste ich an eine ASTRUD GILBERTO in schwarzweiß und leicht verschwommen denken.

Eine empfehlenswerte Pop-Platte, die gerade zur rechten Zeit erscheint, in der die Vorboten des Herbstes längst vor den Toren stehen und die sommerliche Fülle ihre letzten Bastionen hält. (U.S.)