ANEMONE TUBE: Dream Landscape

Das deutsche Dark Ambient- / Noiseprojekt kehrt nach längerer Pause (zuletzt hatte ich sie auf der bei Auf Abwegen erschienenen Zusammenarbeit mit Christian Renou wahrgenommen) mit einem großformatigen CD/DVD-Paket zurück, das als erster Teil der so genannten „Suicide Series“, die auf an verschiedenen Orten gemachten Feldaufnahmen basiert, konzipiert ist und aufgrund der Gestaltung wie eine (Ver-)Weigerung wirkt, (illegale) Downloads (bzw. MP3s als dominantes Medium) zu akzeptieren.

Die 5-Track-Mini–CD beginnt mit „Above the Dark Waters“, einer düster dräuenden Klanglandschaft, bei der zu Beginn die Sounds klingen, als schrieen Möwen (über dem dunklen Wasser). Das Stück steigert sich, Noise bricht zwischenzeitlich ein, bevor der Track ausklingt. Die Songtitel geben einen Hinweis darauf, dass die „Traumlandschaften“ oftmals vielmehr „Alptraumlandschaften“ sind, ein Eindruck, der durch  „Dream Landscape“, das noch roher, atonaler wirkt, bestätigt wird. „Demoniac Reign“ erinnert durch den Einsatz der verzerrten Vocals entfernt an Anenzephalia, „Winds of Fire“ steigert sich noch einmal an Drastik und Lärmfaktor, bevor das Album mit einem Track, der nach einem der berühmtesten Sartrezitate (aus „Geschlossene Gesellschaft“) benannt ist, „L’enfer c’est les autres“, ausklingt – ein brachiales Stück, das gegen Ende aber Hoffnung (auf)keimen lässt, scheinen doch die letzten Minuten von einer Harmonie durchzogen, die vorher abwesend war, ganz so als sei alles zuvor (nur) ein Alptraum gewesen. Was allen fünf Stücken eigen ist, ist eine ziemliche Dynamik und Variabilität, sie verweigern sich der Stagnation und trotz partieller Aggression dem Klischee. Dass die zwischen 2007 und 2009 gemachten Aufnahmen von James Plotkin brillant gemastered wurden, steigert den Hörgenuss noch mehr.

Auf der DVD findet sich Musik, die Bilder des brasilianischen Videokünstlers Gustavo de Lacerda untermalt und musikalisch an die CD anknüpft. Eine statische weiße Fläche, Wind, Schatten(spiele) und durchgängig das Gefühl des Unheilvollen, Unheimlichen – auch das passt wie das Gemälde von Alex Tennigkeit, das im Innern des Schubers zu sehen ist (wenn auch auf andere Weise), zum Thema Traum – natürlich dem Sujet angemessen assoziativ, nicht als Rückgriff auf die Ratio. Wenn gesagt wird, dass „Dream Landscape“ von Autoren wie Lovecraft und Mishima beeinflusst ist, dann lassen diese Referenzpunkte vor dem geistigen Auge Berge des Wahnsinns auftauchen, wir befinden uns jenseits der Mauer des Schlafes. Tolle Veröffentlichung.

(M. G.)