OSSIAN BROWN: Haunted Air

In unseren Breitengraden mag man der Zunahme von Aktivitäten anlässlich Halloweens zu Recht kritisch gegenüberstehen, hat das (Über-)Angebot von Masken, Kostümen, Dekoration etc. doch primär mit dem Wunsch der Industrie zu tun, einen weiteren Markt für ihre Produkte zu finden, wirken die „Süßes oder Saures“-Rufe vieler Kinder seltsam leer und farblos, auf der anderen Seite die teils aggressiven Abwehrgesten älterer Mitbürger hilflos.

Im angloamerikanischen Raum dagegen hat das Fest einen anderen Stellenwert, eine längere Tradition, wurde es doch von irischen Einwanderen in die neue Welt gebracht (und letztlich dann wieder re-importiert) und hat dort eine leicht sinisterere Note bekommen, Wandlungen erfahren, am offensichtlichsten ist, dass aus den Rüben des Jack Oldfield schließlich in den USA Kürbisse, die ubiquitären „jack -o’-lanterns“ wurden. Dabei spielt es letztlich vielleicht keine so große Rolle, ob man Halloween nun als eigentlich christlich inspiriertes  Fest (auf den Vorabend von Allerheiligen verweisend) oder aber als Restspur alter heidnischer Traditionen (Stichwort Samhain, die Festivitäten anlässlich des Ende des Sommers) betrachtet, so oder so schauen die (Seelen der) Toten unweigerlich um die Ecke. Dass Halloween dadurch bedingt natürlich auch immer ein adäquates Setting für den Einbruch des (Un-) Heimlichen in die Welt ist, machen eine Vielzahl von Filmen (paradigmatisch muss hier John Carpenters Slasher „Halloween“ genant werden) oder Büchern (man denke an Anthologien wie z.B. „October Dreams“ mit Texten von Bradbury, Campbell, Straub und vielen anderen) deutlich.

Cyclobes Ossian Brown hat über die Jahre Halloweenfotografien, die in einem Zeitraum zwischen ca. 1875 und 1955 in den USA entstanden sind, gesammelt, die in „Haunted Air“ nun erstmals zusammengestellt worden sind (der Titel mag sowohl an L.A. Lewis’ gleichnamige Kurzgeschichte als auch an das nie fertig gestellte Album, das David Tibet und Jhon Balance (dem der Band gewidmet ist) aufnehmen wollten, anspielen).

Das Ergebnis ist eine Kollektion von Bildern, denen der Betrachter kaum indifferent entgegentreten kann. Es sind verschiedene Aspekte, die diese Bilder oftmals leicht verstörend machen. Einmal ist es das Technische bzw. die Materialität  einiger der Fotos (falsche Belichtungen, allmähliche Auflösung der Bilder – man möchte manchmal „disintegration reels“ rufen, ausgerissene Ecken, neu zusammengesetzte Bilder, Falschbelichtungen, Verschmutzungen), dann auch auf manchen der Bilder die sozioöknomische Seite, hat man ab und zu den Eindruck, dass einige der Masken tragenden Kinder und Personen nicht gerade aus begüterten Verhältnissen stammen, dann aber insbesondere die völlige bzw. partielle (lokale wie temporäre) Dekontextualisierung, das Herausgerissensein  aus einer Zeit und einem (greifbaren) Ort, einem Zusammenhang, der das Abgebildete erklärbar machen könnte – David Lynch spricht in seinem kurzen Vorwort zutreffend von  „a void out of time“.  So bewegt sich der Betrachter in Gewässern der Unsicherheit: Erinnern die Kapuzen, die die Kinder auf einer der Fotografien tragen, absichtlich an den KuKluxKlan? Was sagt das Foto, das einen Herren mit seinem „Bären“ zeigt, über die tatsächlichen (Macht-)Verhältnisse  zwischen den beiden aus? Wenn es auf einem Foto über den einzigen maskierten Jungen heißt: „The one that scares you is Donnie“, muss bzw. kann man sich fragen, warum er im Gegensatz zu den anderen sein Gesicht verbirgt. Die Erklärung ist vermutlich banal, aber die Leerstellen sind so groß, dass man manchmal darin verloren gehen kann. Auch die anderen ganz selten vorkommenden Notizen („wie vom Donner gerührt” heißt es (auf deutsch) auf einer der Fotografien) bieten wenig Anhaltspunkte. Dass die meisten der auf den Bildern abgebildeten Personen zudem inzwischen tot sein dürften, fügt noch eine weitere Dimension hinzu.

Dabei wirken die Maskierten einerseits manchmal wie Opfer, wie eine (Zirkus-) Parade von Freaks (man denke an Todd Browning), dann aber wieder starren die Vogelscheuchen, die Tiere, Skelette, die unter oft billigen Tüten verborgenen Figuren den Betrachter in teils seltsamer, fast zufrieden zu nennender Melancholie an, durch die Maskierung eine (unheimliche) Souveränität ausstrahlend. Und natürlich darf man nicht vergessen, dass Halloween – wie andere Maskenspiele –  auch immer eine Zeit der Überschreitung ist und manchmal fühlt man sich so, als sei eines der Kinder (wie das Wesen in Ligottis Kurzgeschichte „Conversations in a dead language“) kurz davor zu sagen: „I’m just a disguise.“ Schaut man sich die Bilder an, fürchtet man sich jedoch davor, die Masken zu lüften.

Beendet wird diese beeindruckende und opulent gestaltete Sammlung von einem längeren Text Geoff Cox’, dessen letzte Zeilen einen passenden Abschluss bieten: „They stare at us […] and beyond us, as if in diseased mirrors, at spectres at the threshold. A communitiy of the distorted, poleaxed and transfigured by what they have gathered to mock, to call, to sacrifice or sacrifice to, to cast out or welcome. By what they have become. Monsters, exhausted in the aftermath of a frenzy of summoning. Frolicking before the abyss.”

(M.G.)