PJ HARVEY: The Word That Maketh Murder

PJ Harvey ist zur Zeit wieder in aller Munde, so wie im Grunde bei allen Veröffentlichungen der Britin mit den angeblich „sanftesten Lippen des Showbiz“ (Nick Cave). Und da ihr vor kurzem erschienenes Album „Let England Shake“ schon ordentliches Feedback bekommen hat und vermutlich auch noch weiteres bekommen wird, soll hier einmal besonders auf die Single-Auskopplung hingewiesen werden, die im großen Blätterwald wie üblich etwas unterzugehen droht.

Die 7” „The Word That Maketh Murder“ enthält nämlich mit ihrer B-Seite ein verstecktes Juwel, das nahezu alle Songs des Albums locker in die Tasche steckt und mich ehrlich gesagt über die Zusammenstellungspolitik etwas verwundert zurücklässt. Wollte man hier gezielt ein Kleinod schaffen, das nur wenigen vorbehalten bleibt? Aber einige wissen vielleicht noch, dass die ersten zweitausend Exemplare ihres Durchbruch-Albums “To Bring You My Love” eine Bonus-CD namens “The B-Sides” enthielten, und wer weiß, vielleicht wird es so etwas ja nochmal irgendwann geben. Zur Sache: „The Big Guns Called Me Back Again“ ist mit Westerngitarre, treibendem Beat und kriegerischer Symbolik weit mehr als bloß eine Verneigung vor den vielen Balladensängern, den gebrochenen Hollywood-Herzen und einsamen Highways, in deren Tradition es sich stellt – ganz ähnlich den Songs von Karen Elsen und Anna Calvi (siehe Rezensionen), die mit solcher Musik bereits zu Publikumslieblingen wurden. Vielmehr ist der Song ein Beispiel für eine Art Energie, die so nur von der Schwermut und dem leidgeprüften Lebenswillen hervorgebracht werden kann. Man meint, die persönliche Motivation dieses Songs mit jeder Note zu spüren, und deshalb ist er auch über alle pittoreske Verwegenheit erhaben. Polly Jean im Duett mit sich selbst, die leichtfüßig von einer Stimmlage zur nächsten wechselt und vom Weiterkämpfen trotz aller Zweifel kündet, das ist beeindruckend und mitreißend – ein Song, der nicht nur England erschüttern kann.

Dennoch ist der von kriegerischen, politischen Anspielungen durchzogene Text sicher nicht nur symbolisch zu verstehen, sondern auch und vor allem eine Auseinandersetzung der Sängerin mit ihrer eignen ambivalent empfundenen „Englishness“. Dies schlägt dann auch die Brücke zum Album und zum Titelsong auf der A-Seite, der im vergleichsweise hellen Tageslicht zuhause ist. Hier entfaltet sich eine rotzige Leichtigkeit, die dem Song auch auf dem Album einen besonderen Platz einräumt.

Dass PJ mittlerweile sogar – Vorsicht unterste Schublade – als „Indie-Göttin“ beworben wird, sollte einen nicht um den Hörgenuss bringen. (U.S.)