PREMATURE EJACULATION: 6

Der siebte Teil von Rozz Williams’ „Lost Recordings“, enthält –sieht man von ein paar Tracks ab, die auf „A Little Hard to Swallow“ veröffentlicht wurden –  unveröffentlichtes Material, das laut Labelinfo irgendwann vor 1987 aufgenommen wurde. Das Cover, auf dem eine anatomische Studie eines menschlichen Kopfes und Halses mit freigelegten Blutgefäßen zu sehen ist, ist eine adäquate Illustration von Williams’ Herangehensweise (sei es musikalisch, sei es in seinen Collagen), findet sich doch in seinem PREMATURE EJACULATION-Artwork mehrfach die Aufforderung: „Open your eyes“. Dass dieses Öffnen der Augen bei ihm eher an den Buñuel’schen Schnitt durch den Augapfel denken lässt, versteht sich von selbst, wobei Williams’ Sezierung der Pathologien der amerikanischen Gesellschaft eher an eine Vivisektion mit einer rostigen Säge, weniger an eine mit (sterilisiertem) Skalpell denken lässt.

Dabei sind die sechzehn bezeichnenderweise allesamt unbetitelten Tracks weniger vollendete und ausgearbeitete Kompositionen,  viel eher handelt es sich um Fragmente, Skizzen, (Bruch-)Stücke, Experimente und Versuche. Viele arbeiten mit Stimmsamples, wobei naturgemäß dem Expressiv-Masturbatorischen eines gewissen Typus amerikanischer Prediger Raum eingeräumt wird (Track 7, Track 12). Teilweise werden diese Samples lediglich von ein, zwei Loops untermalt (Track 8), manche Tracks bestehen (fast) nur aus einem Loop (Track 9), und man darf sich durchaus fragen, ob dieses Zirkelhafte nicht nur den eingeschränkten musikalischen Mitteln geschuldet ist, sondern vielmehr die „erbarmungslose Konsequenz, [die] unumkehrbare absolute Determination“ (Artaud) menschlicher Existenz illustriert. Wie bei einer Vielzahl von PREMATURE EJACULATION-Tracks wartet man oftmals (vergeblich) auf die Eruption, auf den Einbruch von Lärm, Aggression – dieser (vielleicht kathartische) Moment wird einem aber verweigert – er wird noch nicht einmal ansatzweise gewährt (wie etwa in Harmony Korines „Gummo“, in dem sich die latente Aggression lediglich in der völlig übertriebeben Zerstörung eines Stuhls entlädt.).

(M.G.)