Auf Timothy Renners Website lostgospel.org findet sich eine Zeichnung, auf der das (oft schwer zu durchschauende) „tangled web“ von seinen Bands/Projekten abgebildet ist. Seine bekannteste Band dürften Stone Breath sein, die lange bevor Weird Folk ein Modewort wurde, eine eigenwillige Form der Folkmusik spielten und deren Texte immer auch von Timothys spiritueller Suche zeugten. Dabei entstanden Nebenprojekte, wie z.B. Breathe Stone, die sich als der elektrische Ableger der Hauptband verstanden und The Spectral Light and Moonshine Firefly Snakeoil Jamboree (ursprünglich sollte dies der Titel des dritten Stone Breath-Albums werden), die sich auf die Interpretation von Traditionals konzentrierten und zwei hervorragende Alben veröffentlichten. Nachdem Stone Breath einige Jahre geruht hatten und Timothy eigentlich seinen Fokus auf Crow Tongue, die sowohl von Drones („Ghost: Eye: Seeker“) als auch von Perkussion („The Red Hand Mark“) geprägte Band mit Æ Hoskins legen wollte, wurden die gesamten Aufnahmen Stone Breaths (wieder-)veröffentlicht und plötzlich hieß es, Stone Breath nähmen ein neues der Jungfrau Maria gewidmetes Album auf. „The Sherperdess and the Bone-White Bird“ wurde vergangenes Jahr auf Vinyl veröffentlicht – ein -wie weiter unten deutlich werden wird- dem Inhalt angemessenes Medium. „The Shepherdess…“ knüpft an das letzte Album „The Silver Skein Unwound“ an, wobei die dort bei einigen Songs zu findenden Droneelemente völlig fehlen. „The Song of the Bone-White Bird“ wird von Banjo und den Stimmen von Timothy und Prydwyn, dessen Soloalbum letztes Jahr auf Hand/Eye veröffentlicht wurde, geprägt. Der stärkste Track ist das leicht bedrohliche „In a Breath: One-Thousand Years“: Zeilen wie „now twist together./Now split the tower;/As lightning strike or seed to flower” haben in Kombination mit dem düsteren Gesang eine apokalyptische Intensität. Bei „Even the Dead Shall Sing“ gehen die Stimmen von Timothy, Prydwyn und Sarada eine gelungene Synthese ein und die leicht orientalisch klingende Instrumentierung (vielleicht spricht Timothy deswegen von „Eastern-influenced rural acid folk“) fügen der Musik Stone Breaths neue Elemente hinzu. Dagegen ist das Kernstück des Albums das über 20-minütige und von Akustikgitarre dominierte die (ursprünglich) gesamte zweite Seite des Vinyls ausmachende “The Sherperdss of the Fiery Wheels“.
Vor einiger Zeit erschien in der Myspace-Freundesliste ein Projekt namens The Forest Beggars, über das aber keinerlei Informationen erhältlich waren. Inzwischen weiß man, dass es sich u.a. um Timothy, Sarada und Prydwyn, handelt, die sich mit The Forest Beggars aber völlig auf „devotional music“ konzentrieren wollen. Das erste Album des Projekts erscheint jetzt als Bonus mit der CD-Veröffentlichung von „The Shepherdess…“. Passend zur thematischen Ausrichtung des Stone Breath-Albums und zum Titel „Virgo, Mater, Domina“geht es um die Jungfrau Maria. Der Text von „Hymn of the Angelus“ stammt von E.A. Poe, ursprünglich schlicht „Hymn“ betitelt, das Harmonuium und der Gesang von Timothy und Prydwynn geben dem Stück etwas Zeremonielles. Natürlich kann man das oben angesprochene Netz auch so verstehen, dass alles mit- und ineinander verwoben ist und das wird bei fast jedem Ton des Albums deutlich. „A Ballad of Trees and the Master“ erinnert mit der Verbindung von Banjo und Flöte an Aufnahmen von The Spectral Light and Moonshine Firefly Snakeoil Jamboree, die Drones bei „Cantus Cordialis“ lassen zumindest partiell an „Hoofbeat, Thunder and Caw” denken, „Stabat Mater Dolorosa“ weckt Assoziationen an Stücke auf Crow Tongues „Red Hand Mark“ (abzüglich der Perkussion). „Did Those Feet “wird von Prydwyn fast a capella vorgetragen (das Stück klingt lediglich mit einer Flöte aus), erinnert stark an englische Folkmusik und spielt auf einen von Blakes wohl berühmtesten Texten an (etwas, das Timothy schon zuvor auf „Lost Gospel Music“ gemacht hatte; ebenso wie er auf diesem Album Texte des Predigers Richard Crashaw interpretierte, was hier auf „On the Still Surviving Markes of Our Saviuour’s Wounds“ ebenfalls geschieht), „Lanterna Lucis Viriditatis“ fand sich in etwas anderer Form und mit englischem Titel auf gleichnamigem dritten Stone Breath-Album.
Vielleicht illustriert das alles einfach, dass für Renner alles miteinander zusammen zu hängen scheint, es ein “knotwork” (so der Titel einer Compilation) ist und dass er somit auch keine Probleme damit zu haben braucht, christlichen Glauben mit animistischen Gedanken (man vergleiche auch die die CD selbst zierenden lebendigen Bäume) zu verknüpfen. Deswegen sei auch allen gesagt, die bei der Jungfrau Maria an muffigen Weihrauch und Katholizismus miefigster Provenienz denken, dass auf diesen beiden Alben trotz des thematischen Schwerpunktes (textlich wie musikalisch) genug zu finden ist, das auch Atheisten einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lässt und letztlich vernimmt man auf diesen beiden CDs insgesamt auch weniger Feuer und Schwefel als z.B. bei Wovenhand. Zwei großartige Veröffentlichungen, die auch unabhängig voneinander bestehen können.
(M.G.)