Das Kontrastieren von schönen, mitunter gar idyllisch anmutenden Klängen mit bitteren oder zumindest doppelbödigen Lyrics ist seit jeher eines der beliebtesten Vexierspiele der Musik. Doch Vorsicht ist geboten, denn so etwas kann schnell bemüht wirken und nach hinten losgehen, und ehe sich der Künstler versieht, lautet das Urteil der feindseligen Schreiberzunft: „plakativ“. Wenn das Ganze sich jedoch nicht allzu demonstrativ durch ein ganzes Album zieht, sondern eher mit beiläufiger Selbstverständlichkeit vonstatten geht, kann so etwas nach wie vor seine Wirkung haben.
Stephen Burch, auch bekannt als THE GREAT PARK, gehört zu denen, die das immer vortrefflich hinbekommen – vielleicht, weil man die einfache und filigrane Folkmusik, die er mit Unterstützung einiger Freunde auf die Beine bringt, auf den ersten Eindruck für dezente Weltschmerzschau an der Grenze zur melancholischen Schöngeisterei halten könnte. Vielleicht auch, weil in den Songs immer auch eine offenherzige Wertschätzung für den besungenen Gegenüber zum Ausdruck kommt. Da wirken die Leichen im Keller, die Burch mit unverkennbar britischem Akzent zum Leben erweckt, zuerst wie augenzwinkernder Spuk, und erst mit der Zeit registriert man, wie wenig harmlos es im großen Park eigentlich zugeht, und dass auch die humoristischen Gepflogenheiten es dort nicht immer bei freundlichen Schrullen bewenden lassen, sondern auch mal in pechschwarzer Gewandung erscheinen. Und Burch umgeht in seinen bildreichen Texten immer noch jeglichen inhaltlichen Bombast und das Beschwören großer Zusammenhänge. Nach wie vor sind es die kleinen, privaten Dinge, die den Songwriter interessieren, die nur scheinbar belanglosen Dramen des alltäglichen Haltens und Loslassens – wenn du etwas halten kannst, dann kannst du es natürlich auch wegwerfen, so in etwa der schnoddrige Titel auf deutsch, aber mit dem ramponierten Arm, der sich auf dem Cover gerade selbständig macht, hat man wohl selbst da keine Wahl mehr. Warum also nicht alles einmal ein bisschen pessimistischer sehen?
Wer das Vorgängeralbum „Cellar“ kennt, wird nicht lange brauchen, um das Klangbild unschwer als The Great Park zu erkennen, denn die beiden bekanntesten Hauptzutaten prägen nach wie vor den Sound: Stephens Gesang, der oftmals nur minimal über den rezitativen Vortrag hinausgeht, und im Kleinen doch immer ungemein eindringliche Melodieansätze hervorbringt, und natürlich das repetitive Spiel auf der akustischen Gitarre. Dennoch sind die Arrangements diesmal dichter ausgefallen und schaffen ein etwas breiteres Gesamtbild, denn die Beiträge von FEE REEGA und anderen Gastmusikern (diesmal die Labelkollegen von BIRDENGINE) bekommen in der Produktion mehr Raum zugestanden. Neben Backing Vocals, Melodika und einigen zusätzlichen Saiteninstrumenten ist dies u.a. Perkussion, die in vertrauter DIY-Manier schon mal mit einer Kette oder ein paar alten Schuhen eingespielt werden kann.
Das leicht erweiterte Soundrepertoire erinnert an ganz frühe Aufnahmen der Band, und was dabei herauskommt, bringt beinahe cinematisches Kolorit in die Musik. Zumindest lassen die verhallenen gesampelten Streichersounds, das einer Brandung ähnliche Klatschen und das westernartige „hoho“ beim Operner „Run From My Arms“ eine solche Assoziation zu, ebenso die unbekümmerte Geradlinikeit und Leichtigkeit des von Rasseln begleiteten „Sailor’s Notes“. An einigen Stellen gibt es kleine Kanten, an denen sich allzu verwöhnte Ohren, die dem Wohlklang der Musik zu sehr auf den Leim gehen, sogar ein paar kleine Schrammen holen könnten. Ob das schon bei den Snaredrums der Fall ist, die das Neofolkstrumming und das heimelige Akkordeon in „Tom“ unterwandern, hängt von der eigenen Empfindlichkeit ab, mit der das folkpoppige Idyll verteidigt wird. Spätestens bei den kurzzeitigen Kakophonien von „Blackwater Swim“ wird der Bruch offensichtlich. Arg experimentierfreudig ist das natürlich auch hier nicht, aber wie gesagt: Das Undemonstrative ist bei The Great Park nahezu Programm, und man darf nicht allzu sehr auf unerhörte Arrangements fixiert sein, um der Musik etwas abzugewinnen.
Im hauptstädtischen Kneipengetriebe sind die Auftritte von The Great Park fast schon zu einer kleinen Institution geworden, bei einem angemessenen Ausgehenthusiasmus kann man sie kaum verpassen und hat dann oft auch die Gelegenheit, weitere Acts auf Woodland Recordings kennen zu lernen. Anderenorts sind sie oft noch ein Geheimtipp. Ein allemal empfehlenswerter jedoch, der gut ohne checkerhafte Vergleiche zu gewissen englischen Kultbands auskommt. (U.S.)