YEAR OF NO LIGHT: Ausserwelt

YEAR OF NO LIGHT wurde in unseren Breiten erst vor kurzem eine größere Beachtung zuteil, denn im Frühjahr spielten sie sich im Vorprogramm von SHRINEBUILDER durch sechs Konzerthäuser von Hamburg bis Wien und gleichsam in die Herzen der deutschsprachigen Stoner- und Sludge-Community. Seitdem taucht der Name der Franzosen immer wieder in einem Atemzug mit recht unterschiedlichen Bands auf, beispielsweise den unlängst verblichenen ISIS, den schwer rubrizierbaren WOLVES IN THE THRONE ROOM und den ähnlich gelagerten Iren von ALTAR OF PLAGUES.

Der Rezensent ist kein Metalkenner, weswegen eine genauere Beurteilung dieser gerne genannten Kontexte ausbleiben muss. Versteht man YEAR OF NO LIGHT auf den ersten Eindruck aber als dronige Shoegazer-Kapelle, die sich zur Verstärkung ihres ästhetischen Ausdrucks unter anderem schon mal beim Stilrepertoire des Black Metal bedient, mag man die Vergleiche allerdings nicht allzu weit hergeholt finden. Organische Soundscapes nennt das Label die Hauptzutat auf „Ausserwelt“, dem zweiten Album der Band. Tatsächlich beginnen und enden die vier Stücke herrlich dröhnend, was hier und da an „psychedelisch“ wabernde Harmoniumsounds erinnert, die unter der Oberfläche manch vielfarbiges Gitarrengewimmel gar nicht erst verstecken wollen. Selbstredend steigert sich das ganze im Laufe der epischen Kompositionen, wird im Minutentakt schwerer (die berühmte doomig-schleppende Sound-“Walze“..), entlädt sich in den voll entfalteten Momenten des Albums in ein entgrenztes Inferno lupenreinen BM-Geprügels. Dass die Band dabei im Unterschied zum Vorgänger „Nord“ komplett ohne Gesang zu Werke geht, schmälert die Dramatik dessen keineswegs. Schöne Melodien bilden in ruhigeren Momenten dann den ausbalancierenden Gegenpart dazu. „Héliogabal“ offenbart das Kompositionsprinzip vielleicht am konsequentesten, demonstriert die aktionsgeladensten und bedrohlichsten Momente des Albums, aber auch Augenblicke schwärzester Melancholie, die sich auf „Abbesse“ dann verselbständigen und eigene Höhepunkte (oder besser Tiefpunkte) bilden. „Héliogabal“ referiert auf den „dekadenten“ spätrömischen Kaiser, dem Stefan George in seinem Gedichtszyklus „Algabal“ das vielleicht bekannteste Denkmals im Rahmen moderner Lyrik gesetzt hat. Der Regent schuf sich dem Mythos nach eine unterirdische Gegenwelt, reich an Kunstschönheit, doch bar jeder körperlichen Vitalität. Ähnlich wie Baudelaires „Pariser Traum“ eine faszinierend morbide „Ausserwelt“, so fern vom Tageslicht wie das griechische Totenreich, in das der Gott Hades der Sage nach die Fruchtbarkeitsgöttin Persephone entführte, auf deren Unterweltsdasein wohl die ersten beiden Songtitel bezogen sind. YEAR OF NO LIGHT scheinen eine besondere Affinität zu morbiden Parallelwelten gerade des späten 19. Jahrhunderts zu haben – das Covermotiv stellt offenkundig eine Adaption von Arnold Böcklins “Toteninsel” dar und fungiert als visueller Wegweiser in den außerweltlichen Schauplatz der Musik.

Um doch noch mal auf den obigen Vergleich zurück zu kommen: Während WOLVES oder ALTAR OF PLAGUES (und zahlreiche weniger bekannte und mitunter ältere Bands, die Spezialisten noch anführen könnten) ihr ästhetisches Fundament auf Black Metal bauen und das Ganze mit Ambientpassagen, Soegazersounds und kompositorischen Elementen des Postrock ergänzen, scheint die Gewichtsverteilung der Komponenten bei YEAR OF NO LIGHT schlicht umgekehrt auszufallen. Gerade im Hinblick auf unerwartete Brüche und Tempuswechsel gestaltet sich die Mischung auf „Ausserwelt“ als durchaus experimentierfreudig und beugt Ermüdungserscheinungen vor, die sich bei den epischen Instrumentalstücken sonst durchaus einstellen könnten. (U.S.)