SIMON FINN – Interview

Ende der 60er nahm Simon Finn ein Acidfolk-Album namens “Pass The Distance“ auf, das aus verschiedenen rechtlichen Gründen relativ schnell aus den Regalen genommen wurde und im Lauf der Jahr(zehnt)e einen ziemlichen Kultstatus erlangte. Nachdem David Tibet das Stück “Jerusalem“ – noch heute im Liverepertoire zu finden und in seiner Intensität beeindruckend – gehört hatte, setzte  er sich mit Simon Finn in Verbindung und vor einigen Jahren erschien das nur von Simon Finn mit Hilfe von Joolie Wood eingespielte Album “Magic Moments“. Inzwischen unterstützt Simon Finn  CURRENT 93 bei Auftritten häufig an der Gitarre, hat ein kleines Label namens 10 to 1 gegründet und (dort) gerade sein drittes Album “Accidental Life“ veröffentlicht. Bei Auftritten wirkt Finn manchmal etwas unbeholfen, sobald er aber anfängt zu spielen, strahlt er etwas aus, das sich schwer in Worte fassen lässt, will man nicht  Floskeln wie “authentisch“ benutzen.

Lass uns ganz vorne anfangen. Es gab da diese unglaublich lange Unterbrechung zwischen deinem ersten und deinem zweiten Album.

Ja.

Hatte das auch mit der Unzufriedenheit mit dem Geschäftlichen zu tun?

Nein, nicht wirklich. Zum damaligen Zeitpunkt war das toll. Die Dinge sind ganz gut gelaufen. Ich habe 1967 angefangen, aber ich hatte ziemliches Glück. Ich kannte niemanden in London und ich hatte meinen ersten Auftritt ungefähr drei Monate, nachdem ich angekommen war. Natürlich dauert es Jahre, bis irgendetwas passiert. Ich habe bis etwa 1972 Musik gemacht und habe dann Nordamerika einen Besuch abgestattet, um Urlaub zu machen und mir hat es da gefallen. Ich wollte einfach aus England raus, das hatte allerdings nichts mit der Musik zu tun. Es lag an meiner Familie, die völlig verrückt war.

Ich habe darüber gelesen.

Ich war zwar weg, aber ich war ziemlich durch. Jetzt bin ich völlig geheilt. (lacht)

Du hast mal irgendwo gesagt, dass das Musikmachen die Therapie des armen Mannes sei.

Auf viele Leute trifft das zu. Ja, ich habe weiter komponiert. Für mich sind immer diejenigen interessant, die etwas aus ganz persönlichen Gründen machen, nicht wegen des Geldes. Es gibt Leute, da gefällt mir die Musik nicht, aber ich merke, dass es für sie sehr wichtig ist. Einige abstrakte Maler malen Bilder, die ich nicht verstehe, aber wenn ich höre, wie sie darüber reden – mit welcher Intensität –, wird mir klar, dass die es nicht aus finanziellen Gründen machen. Ich habe solche Freunde und das zieht mich an. Aber verglichen mit den 60ern ist Musik heutzutage so groß. Damals gab es nur ein paar Bands, vielleicht tausend oder so.

Nachdem du zumindest mit öffentlichen Auftritten aufgehört hattest, hast du danach je den Zwang verspürt noch einmal auf eine Bühne zu gehen?

Nein, aber nicht deswegen, weil ich etwas gegen Auftritte gehabt hätte, sondern weil ich mich für andere Dinge interessiert habe, die mich in Beschlag genommen haben. Ich habe als Biobauer gearbeitet…

Das war bestimmt lange, bevor der jetzige Boom eingesetzt hat.

Ja, was auch immer ich mache….es wirft keinen Gewinn ab. Ich habe auch Wasserfilter verkauft. Das ist den Bach runtergegangen, weil niemand Wasserfilter gekauft hat. Zehn Jahre später sah das ganz anders aus. So sieht mein Leben aus. (lacht) Ich brauche gerade z.B. einen neuen. Ich muss also einen kaufen.

Zu welchem Zeitpunkt hast du eigentlich damit angefangen, Romane zu schreiben?

Ich habe drei geschrieben – ziemlich schnell hintereinander. Es muss so in den späten 80ern gewesen sein, vielleicht auch in den frühen 90rn, ich bin mir nicht ganz sicher. So um den Dreh jedenfalls.

Wie waren die?

Überhaupt nicht wie meine Lieder. Eine andere Art der Therapie. (lacht). Immer noch Therapie, aber der Therapeut war ein anderer. Meine Lieder sind eigentlich nicht zynisch, meine Prosa ist zynischer.

Eher realistisch?

Ja. Zeitgenössische Settings, es ging um die Perversität menschlichen Verhaltens.

Bei einem Song wie “Walkie Talkie“ kommt aber auch viel Ärger über die Conditio humana rüber.

So fühle ich das, das ist allerdings nicht zynisch, sondern die Realität. Meine Songs sind manchmal abstrakt. “Rich Girl With No Trousers“ handelt von einem  meiner Freunde, der an Alzheimer gestorben ist, aber ich erwarte nicht, dass das jemand weiß. Auch wenn die Songs abstrakt sind, werden die Gefühle sehr direkt ausgedrückt. Wenn ich Prosa schreibe, mache ich das wohl mit einem anderen Teil meines Gehirns.

Auf deiner alten Homepage konnte man Sachen runterladen, oder?

Ich habe das ungefähr eine Woche lang gemacht. Dann sagte irgendjemand zu mir, ich solle die zwei Sachen – Musik und Literatur – nicht miteinander vermischen.

Hast du Pläne die Texte wieder verfügbar zu machen?

Komischerweise habe ich seit letztem Jahr sogar eine Agentin in New York. Sie hat es aber noch nicht geschafft, eins der Bücher zu verkaufen. Im Augenblick habe ich keine Zeit mich weiter darum zu kümmern.

Auf deinem zweiten Album gibt es ein Stück wie “Crow Flies“, aber auch  “Eros“, das viel narrativer ist, das eher eine Geschichte erzählt. Gibt es da eine Unterscheidung zwischen Songs, die eine Situation beschreiben und Songs, die eine Geschichte erzählen?

Manche Lieder werden durch die Melodie angetrieben, andere davon, dass ich ein Gedicht oder eine Idee habe, für das/die ich Musik haben möchte. Musikalisch ist “Eros“ sehr einfach, aber ich denke, dass es für diese Art Geschichte funktioniert. Ich hätte nie gedacht, dass das irgendjemand anderem gefallen könnte.

Ein Freund von mir ist ganz begeistert von deinem zweiten Album und hat mich gebeten dir zu sagen, dass er es sich oft morgens zum Frühstück anhört und danach der Tag nur noch gut werden kann.

(lacht) Ein neues Album ist gerade rausgekommen.

Auf myspace kann man schon was hören.

Es ist nicht wirklich my space. Das macht jemand, der einige Auftritte organisiert hat.

Dein zweites Album war ja sehr reduziert. Auf deinem neuen Album machen wesentlich mehr Leute mit.

Z.B. Karl [Blake] an der E-Gitarre, Joolie.

Du hast das Album auf deinem Label veröffentlicht.

Ja, mein Minilabel.

Mit bisher zwei Veröffentlichungen.

Wir werden sehen, wie es weitergeht. Das Album ist ganz schön teuer gewesen, es wurde in einem ordentlichen Studio aufgenommen, mein alter Produzent war da etwas obsessiv, ich hoffe, jeder wird sein Geld wiederbekommen. Der Grund, warum ich es auf meinem Label veröffentlicht habe, ist der, dass er es an ein großes Label verkaufen will. Ich glaube nicht, dass er weiß, wie die Musikwelt jetzt so funktioniert, aber es ist sein Geld. Ich musste es aber schon wegen der Konzerte rausbringen, ich wollte nicht länger warten. Ich habe ihm deshalb gesagt, dass er es versuchen kann und wenn es nicht klappt, dann bleibt das Album auf meinem Label oder ich bringe es auf Durtro raus.

Wie kann man sich denn den Aufnahmeprozess deines zweiten Albums vorstellen? Du hast es bei Efrim von SILVER MT. ZION aufgenommen.

Ja, das war sehr nett. Ich hatte komischerweise schon in einem richtigen Studio genau die gleichen Songs aufgenommen, aber mir gefiel das nicht. Es hörte sich einfach nicht nach mir an, wohingegen das neue Album zwar sehr gut produziert ist, aber es trotzdem ich bin. Für Produzenten und Soundleute bin ich furchtbar. Ich mache selten mehr als eine Aufnahme, weil ich sonst die Motivation verliere. Ich mag es, ein Stück einmal zu spielen und wenn jemand sagt, dass ich das besser könne, kann ich es einfach nicht noch einmal machen. Man fühlt die Energie und bei einer Wiederholung funktioniert es einfach nicht mehr. Vic ist bei so etwas einfach klasse. Es fühlt sich spontan an. Vic stellt jetzt diese Maschinen her, die z.B. OASIS im Studio verwenden. Dadurch klingt der digitale Klang analog. Er klingt warm. Ich habe allerdings keine Ahnung, wie das funktioniert. Er ist bei Klang sehr obsessiv. Wie auch immer, ich bin sehr zufrieden.

Wie kam denn eigentlich diese erneute Zusammenarbeit nach einer solch langen Zeit zustande?

Ich sah eine Rezension des alten Albums und daraufhin setzte ich mich mit David Toop in Verbindung. Ich sagte zu ihm: “Ich habe eine Rezension gesehen.“ Woraufhin er meinte: “Ich dachte mir, dass du dich melden würdest. Leute suchen dich.“ In London musste ich die alten Mastertapes bekommen, deshalb nahm ich Kontakt auf, aber das hatte nichts mit einem neuen Album zu tun. Zufällig hatte ein Singer/Songwriter, Graham Coxon, Interesse und die Gruppe war in England gerade sehr populär. Dann hatte ein junger Produzent Interesse und so begann ich mit ihm zu arbeiten. Er mischte einige der Songs, aber dann war er mit etwas anderem beschäftigt, weil er anfing mit dieser Gruppe namens THE KLAXONS zu arbeiten.

Die sind ja momentan sehr angesagt.

(lacht) Ja, er hat eine gute Entscheidung getroffen. Durch ihn verzögerte es sich und er wollte dann eher mit den kommerziell vielversprechenderen Künstlern arbeiten. Er zögerte die Arbeit an meinem Album immer weiter heraus und das ging nicht. Ich lebe nur von der Musik. Die CD musste zu den Auftritten draußen sein. Daraufhin sprach ich mit Vic, der denjenigen kannte, weil er bei Vic gelernt hatte und dann sagte Vic, dass er es gern selbst machen würde. Er macht so etwas eigentlich nicht mehr, aber er ging ins Studio, machte es und das war sehr nett von ihm.

Wirst du denn mit dem Album viel touren?

Es ist momentan alles ganz schön verrückt. In den letzten zwei Jahren bin ich recht häufig unterwegs gewesen. Ich habe nur in den letzten drei Monaten pausiert. Die habe ich im Winter von Montreal zugebracht – bei minus 50 Grad. Es ist eine schöne Stadt, aber wahnsinnig kalt.

Willst du noch etwas sagen?

Nein, ich tue mich bei Interviews immer recht schwer. Du machst das ganz gut. Bei engen Freunden bin ich lockerer. Schlimm sind Fernsehleute, die nichts über meine Musik oder sonst etwas wissen und die dümmsten Fragen stellen. Ich schaue mir manchmal Talkshows an und die Schauspieler, die interviewt werden, sind so gut. Sie sagen: “Danke für die Fragen.“

– M.G. –

simonfinn.co.uk