“Vieles, was ich mache, basiert auf Gefühl”: Ein Interview mit Timothy Renner

Das künstlerische Wirken Timothy Renners ist in den vergangenen Jahren von uns mehrfach beleuchtet worden. Seit Mitte der 90er hat er in unzähligen Inkarnationen (Timothy, Timothy Revelator, timeMOTHeye) und Formationen (Mourning Cloak, Stone Breath, Breathe Stone, The Spectral Light and Moonshine Firefly Snakeoil Jamboree, Black Happy Days, Moth Masque, Crow Tongue, Forest Beggars) Folkmusik (ein)gespielt, die (auch immer) seine spirituelle Entwicklung, seine persönlichen Obsessionen widerspiegelte. Dass er auf seinem Blog bei Interessen lapidar vermerkt: “a life of meaning and symbol”, darf da nicht verwundern.

Auf seinen beiden kleinen Labeln Dark Holler und Hand/Eye hat er im Laufe der Jahre eine Reihe von Künstlern veröffentlicht, die ebenfalls im weitesten Sinne dem Folk zuzuordnen sind, wobei die Bandbreite groß ist: Da werden aus Zigarrenkisten gebaute Banjos gespielt (Shane Speal), erklingen Harfenklänge, die Zwergen gewidmet sind (Robin Crutchfield) oder aber man hört eine Art gothischer Countrymusik (The Desolation Singers), um drei willkürlich gewählte Beispiele zu nennen.

Seit einiger Zeit ist Stone Breath, die Band, deren Debüt auf dem leider inzwischen eingestellten Label Camera Obscura veröffentlicht wurde und die sicher das bekannteste Projekt Renners ist, wieder zum Leben erweckt worden und scheint so produktiv wie nie zuvor. Neben dem klassischen Lineup – bestehend aus Timothy, Prydwyn und Sarada -, mit dem Renner das 2009 veröffentlichte Comebackalbum „The Sherpherdess and the Bone-White Bird“ aufnahm, wurde das letzte Album „The Aetheric Lamp“ mit der neuen „lokalen“ Besetzung eingespielt, ein weiteres Album („The Night Birds Psalm”) sowie eine EP namens “Who is Listening?” stehen kurz vor der Veröffentlichung.

Dementsprechend spielen Stone Breath und die angesprochenen Alben auch eine große Rolle im folgenden Interview, wobei die Situation kleiner unabhängiger Labels ebenso zur Sprache kommt wie Timothys spirituelle Interessen.

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Seit wir uns das letzte mal gesprochen haben, ist eine Menge passiert. Vielleicht können wir mit der bedeutendsten Entwicklung beginnen: Der Wiederauferstehung von Stone Breath. Wenn ich mich recht daran erinnere, hast du gesagt, dass die Arbeit an den Reissues dazu beigetragen hat, Stone Breath wieder zum Leben zu erwecken. Kannst du etwas dazu sagen, wie es (wieder) begonnen hat?

Es war eher etwas Organisches als etwas Kommerzielles. Die Reissues haben definitiv zur Auferstehung von Stone Breath beigetragen, aber sie waren nur ein Faktor. Bevor die Neuauflagen fertig waren, haben Prydwyn und ich eine kleine Stone Breath-EP, “The Holly Crown” aufgenommen. Prydwyn und ich hatten nie aufgehört, zusammen an Musik zu arbeiten – wir hatten an Material mit den Forest Beggars gearbeitet und hatten auch an etwas Crow Tongue-Material gearbeitet – aber als ich wieder anfing, akustische Musik zu schreiben, Musik, die nicht rhythmusorientiert ist wie Crow Tongue – deutete alles auf Stone Breath hin. Die Songs waren da. Die Harmonien waren da. Die Leute waren da. Das einzige, was es noch davon abhielt, Stone Breath zu sein, war ICH. Prydwyn, Sarada nahmen “The Shepherdess and the Bone-White Bird” auf – ich fühlte, dass es ein starkes Album war, ein gutes Comeback, und vor allem fühlte ich, dass es ein Stone Breath-Album war.

Vieles, was ich mache, basiert auf Gefühl. Gefühle lassen sich nicht gut übersetzen, und sie folgen nicht immer einer wachen Logik, aber sie sind mir wichtig. Wenn ich fühle, dass etwas nicht “richtig” ist, dann mache ich es nicht. Ich habe das schon immer so getan, zum Nachteil meiner Karriere und meiner Popularität – aber das ist die einzige Art, wie ich zu leben weiß. Die Lieder, die wir aufnahmen: Sie fühlten sich wie Stone Breath an. Es gab keinen wirklichen Grund, es nicht Stone Breath zu nennen.

Ich vermute, dass Crow Tongue nun der Vergangenheit angehört. Gibt es da noch unveröffentlichte Aufnahmen?

Sollte ich einmal wieder an Material arbeiten, dass sich wie Crow Tongue anhört und anfühlt, dann würde ich es wieder Crow Tongue nennen. Wir haben das Projekt nie wirklich beendet, so sehr die Umstände unsere Aufmerksamkeit auch anderswohin gelenkt haben (das beruhte auf Gegenseitigkeit). Es gibt ein paar unveröffentlichte Aufnahmen, denke ich. Es gab da ein elektronischeres Album, an dem wir gearbeitet haben. Einige dieser Songs sind für mein “Undeath”-Soloprojekt überarbeitet worden.

In Crow Tongue hast du eine Reihe ungewöhnlicher, handgemachter Instrumente benutzt, so zum Beispiel eine “fretless double-necked electric cigarbox guitar”. Hast du dir das Instrumentenbauen selbst beigebracht, und was macht für dich den Reiz aus, auf solchen Instrumenten zu spielen?

Nun, ich habe den Lowbow nicht selbst gebaut – sie werden von John Lowe in Tennessee hergestellt. Ich habe bloß auf “ghost eye seeker” auf einem gespielt. Ich mag selbstgebaute Instrumente, weil es da keine formalen, feststehenden Regeln gibt, wie man sie spielt. Keine Erwartungen. Du nimmst sie einfach in die Hand und fängst an, Musik zu machen, das ist sehr befreiend und interessant. Ich baue auch gerne Instumenten – aber ich denke, ich bin besser darin, sie umzubauen – so dass ein Banjos wie eine Guimbri klingt, eine Gitarre wie eine Sitar etc.

Ich habe den Eindruck, dass eine Sache, die dir bei Crow Tongue gefiel, war, dass du und  Æ Hoskin nicht so weit voneinander entfernt wohnten und ihr regelmäßig proben und auftreten konntet. Ist das der Grund dafür, dass es jetzt ein – wie du es nennst – “llokales” Lineup von Stone breath gibt?

Mir gefällt es auf jeden Fall, Leute in der Nähe zu haben, mit denen man Ideen entwickeln kann – und regelmäßige Proben zu haben, wo sich die Musik entwickelt. Das ist weniger einsam und es bringt mich als Musiker auch weiter.

Kommen wir mal zu den neuen Aufnahmen. Ich muss sagen, dass “The Aetheric Lamp” zur Zeit mein Lieblingsalbum von Stone Breath ist, und ich denke in einer gerechten Welt wäre “The Coming Fires” die Hit-Single. Was kannst du uns über dieses Album erzählen? Wie hast du Carin Wagner Sloan wiedergetroffen? In welcher Hisicht unterscheidet sich deine Herangehensweise von der bei “The Shepherdess And The Bone-White Bird”?

Carin ist eine der besten Freundinnen meiner Frau – und ist es schon seit Iditarod vor vielen Jahren mit Stone Breath getourt sind. Ich habe ihre Stimme schon immer geliebt. Ich erinnere mich, wie ich mit Prydwyn zusammen saß und wir uns Iditarod ansahen und er sagte zu mir “Wir müssen sie dazu bringen, dass sie mit uns singt” – womit ich natürlich einverstanden war.

Carin heiratete und hatte ihr erstes Kind in etwa zu der Zeit, als meine Frau und ich die Zwillinge bekamen. Ich denke, es brauchte ein paar Jahre, in denen sie einfach Mutter war, um irgendwann wieder bereit zu sein, Musik zu machen. Wir hatten ein bisschen darüber gesprochen, und ich schickte ihr ein paar Songs (Material von “The Night Birds Psalm”) – dann kam sie vorbei, um mit aufzunehmen. Sie war voller Ideen und 100% bereit, als sie dazu kam. Ich bin überglücklich mit dem, was sie zu Stone Breath beigetragen hat. Sie hatte noch nie “The Coming Fires” gehört, bevor sie zu den Aufnahmen vorbei kam -ich habe es ihr einfach vorgesetzt, als siie kam und sie hat es genau richtig gemacht. Ich glaube, bei der ersten oder zweiten Aufnahme. Sie hat es so kraftvoll gesungen, dass jedes Instrument im Raum in teilnahmsvoller Vibration erklungen ist. Es war großartig.

“The Ætheric Lamp” war größtenteils improvisierte Musik über einem feststehenden Gerüst. In der Hinsicht war es  wie Seite B von “The Shepherdess…”  – es ging von dort aus. Östliche Tonleiter und Improvisation. Wir hatten uns eine Menge an persischer klassischer Musik angehört – im Gegensatz zu den Solo-Oud/Gesangsarbeiten, (die “The Shepherdess of the Fiery Wheels beeinflusst hatten); ich schätze, dass deswegen viel mehr Instrumente und unterschiedliche Muster in der Musik zu finden sind.

Auf dem Album scheinen Gegensätze (“beautiful and terrible”, “horrible and wonderful”, zum Schluss “Springtime flowers burst again beneath the sky’s red tongue”) eine große Rolle zu spielen. Denkst du, dass solche Gegensätze immer aufeinander bezogen sind?

Einer meiner Freunde hat mir mal gesagt, dass es bei all meiner Musik auf die eine oder andere Weise um Dunkelheit gegen Licht ginge. Ich hatte da nie zu sehr drüber nachgedacht, bevor er das sagte, aber Laternen, Monde, Sterne, Flammen etc. pp.finden sich immer in meinen Songs. Ich denke, das kommt alles aus der Natur, die Vorstellung, dass Gegensätze irgendwie verbunden sind: Das Leben kommt vom Tod, das Licht von der Dunkelheit etc. Ich versuche oft, in Bedeutungsschichten zu schreiben, auch wenn ich nicht immer erfolgreich bin. Aber ich denke, das bietet sich ebenfalls an, um sich mit Gegensätzen und Kontrasten zu beschäftigen.

Du bist gerade dabei, ein neues Stone Breath-Album, “The Night Bird’s Psalm”, herauszubringen. Was kannst du uns über das Konzept, die Komposition u.s.w. erzählen?

Mit “The Night Birds Psalm” hatten wir schon vor “The Ætheric Lamp” angefangen – wir hatten dann gleichzeitig an beiden Alben gearbeitet. Ich hatte die Idee, ein Album mit etwas kürzeren, persönlicheren Songs zu schreiben – ein bisschen wie die ersten beiden Alben – es aber mit der neuen, erweiterten Band aufzunehmen, und steckte alles, was ich über die Jahre gelernt hatte, in die Songs. Es ist ziemlich anders als “…Lamp,” aber ich bin gleichermaßen stolz auf beide Alben.

Eine Eigenschaft deines Werks ist, dass du manchmal Songs überarbeitest. Auf dem neuen Album gibt es eine neue Version von “Ephrata Sacred Heart”. Wann hast du das Gefühl, dass es Zeit für eine Neuinterpretation ist?

Es wird ein Mini-Album namens “Who is Listening?” mit neuen Versionen von Songs des ersten und zweiten Albums (eingespielt von der neuen, vollständigen Band) ebenso eine Neufassung von “Sixteen Hooves” von Crow Tongue geben.

Normalerweise widme ich mich einem Song noch einmal, wenn ich den Eindruck habe, dass da etwas war, das ich nicht richtig eingefangen habe – oder, dass da ein Thema war, das ich nicht tief genug erforscht habe. Oder vielleicht denke ich, dass ich die Musik besser machen kann. By “Who is Listening?” dachte ich einfach nur, dass es interessant sei, wenn man die neuen Leute ein paar der sehr alten Songs spielen lässt.

Waren The Forest Beggars eine einmalige Angelegenheit, oder wird es weitere Aufnahmen geben?

Ich habe keine Kontrolle über The Forest Beggars. Sie machen Musik zur Marienverehrung. Ich würde sagen, dass es mehr Material der Forrest Beggars in der Zukunft geben wird. Alles, was ich künftig über Maria schreiben werde, wird den Forrest Beggars gegeben werden. Sie sind kein kommerzielles Projekt. Das Material zu “Virgo, Mater, Domina” begann fast ein Jahrzehnt vor der Veröffentlichung zu entstehen. Wir entschieden, es zusammen mit der Stone Breath-CD “Shepherdess…” zu veröffentlichen, weil sie sich beide Maria widmen und weil es ein guter Weg schien, der Welt die Forrest Beggars vorzustellen. Offenbar gibt es ein paar Stimmen und Klänge bei den Forest Beggars, die Leuten bekannt vorkommen, die Stone Breath hören – aber offiziell haben Forrest Beggars anonyme Mitglieder. Die Besetzung unterschiedet sich von Stone Breath.

Au deinem Blog sind verschiedene Zeichnungen von einem geplanten Bildband namens “Undead” zu sehen. Wie würdest du die Stimmung und die zentralen Motive des Buches beschreiben, und wie sind deine Pläne für die Veröffentlichung?

Es wird “Undeath” genannt werden. Es wird als Bildband zusammen mit einem Soloalbum (mit vielen Gästen) erscheinen. Es ist eine Serie von Zeichnungen, die ich von Geistern, Engeln und anderen seltsamen Wesen angefertigt hatte. Es begann, weil ich mich selbst wieder zum regelmäßigeren Zeichnen bewegen wollte – und verwandelte sich schnell in eine sehr umfangreiche Serie. Irgendwann nahm ich dieses Album mit dunkler, gespenstischer Musik auf – ich nenne es Dronefolk, einfach als kurzen Hinweis, aber es ist seltsamer und etwas experimenteller als sich das jetzt anhört.

Ich dachte, das Album und das Artwork würden gut zusammen passen. Ich glaube, es wird noch in der ersten Häfte 2012 auf Crucial Blast (oder einem Ableger) erscheinen. Ich hoffe, es wird ein paar Ausstellungen mit diesen Zeichnungen geben, aber wir werden sehen.

Ich denke, dass die Art, wie Musik wahrgenommen wird, oft davon beeinflusst ist, wo Leute herkommen und in welchen “Szenen” oder Subkulturen sie zuhause sind. Ich frage mich, wie Stone Breath dort wahrgenommen wird, wo du lebst.

Ich denke, wir haben eine lange, lange Zeit mehr oder weniger im Dunklen gearbeitet. Leute, die mich kannten, hörten die Musik und ich vermute mal sie dachten einfach: “Nun, das ist eben Timothys Ding.” Stone Breath haben öfter in New York, Neuengland und an der Westküste gespielt als hier in der Region. Nachdem Don mit einstieg; nun, er ist ein fantastischer Gitarrist und als solcher in der Gegend bekannt. Mehr Leute aus der Region begannen, auf uns aufmerksam zu werden. Dann als Brooke ebenfalls mit dazu kam – sie und Don sind viel besser darin, über die Band zu reden und die Leute wissen zu lassen, dass es uns gibt. Ich denke, dass ich auch besser in so etwas werde – jetzt, da es eine lokale Band gibt, mit der ich probe. Ich denke, dass die Zeit uns auch eingeholt hat. Die Leute sind inzwischen vielleicht etwas offener für kreative Musik, sie suchen nach etwas, das ein bisschen anders ist. Und so höre ich, dass der Name hier und da fällt, wo ich ihn bislang NIEMALS gehört habe. Es ist sehr schön für mich, das zu hören.

Als wir uns das letzte mal unterhalten hatten sagtest du, dass du dich aus verschiedenen Gründen nie als Teil des Weird Folk empfunden hast. Macht es dich nicht dennoch ein bisschen stolz, dass Jeanette Leech Stone Breath, The Iditarod und In Gowan Ring ein ganzes Kapitel in ihrer Geschichte des Acid- und Psychedelic Folk widmet?

Absolut. Das Kapitel war eine Anerkennung, die wir ansonsten nicht oft erhalten. Als dieses ganze Acid/Psych/Freak/Weird/was auch immer -Folkding auf einmal irgendwie hip und populär wurde, wurden wir komplett außen vor gelassen. Ich denke, auf eine gewisse Weise wurden wir als “alt” angesehen. Nicht neu und hip. Wir haben uns nie gekleidet wie die Bands, die populärer wurden und bei großen Indie- oder Majorlabels unterschrieben. Wir hatten nie die richtigen Klamotten und den richtigen Haarschnitt. Wir haben nie etwas mit einem ironischen Augenzwinkern gemacht – wir haben bloß gemacht, was wir wollten. Wir hatten nie Geld für Presseleute, und die Booker haben uns mit dem Hintern nicht angeguckt.

Generell hat uns das Kapitel in “Seasons They Change” sehr gut getan. Wenn Jeanette davon spricht, wie sehr sie Stone Breath mag – wenn die Person, die buchstäblich das Buch über diese Musik geschrieben hat, dein Album als einen ihrer Favouriten herauspickt – das ist eine sehr berührende Art der Anerkennung. Es entschädigt uns für die vielen Gelegenheiten, bei denen wir übergangen oder vergessen oder ignoriert worden sind.

Nun zu einer Frage an dich als jemanden, der ein Independent-Label betreibt. Wie sehr ist es in den letzten Jahren schwieriger geworden, Dark Holler und Hand / Eye zu betreiben? Hat es in der letzten Zeit auch schwerere Enttäuschungen gegeben?

Es ist sehr schwierig geworden. Kleine Labels machen gerade überall ihre Schotten dicht. Wir mussten auch Abstriche machen und Kosten reduzieren und weniger Alben in geringerer Stückzahl veröffentlichen.

Alles hat sich geändert. Wir haben uns irgendwie auf ein System hinzubewegt, das von Stammkunden getragen wird. Diejenigen, die uns unterstützen, neigen dazu, uns immer zu unterstützen. Es sieht so aus, dass wir alles, was wir veröffentlichen, an eine kleinere Gruppe von Stammkunden verkaufen – im Gegensatz zu ein paar Sachen an viele Menschen.
Was die Enttäuschungen angeht – die Wirtschaft ist die Wirtschaft, und es gibt wenig, was wir da tun könnten, um das zu ändern. Das einzige, was wir den Dieben, die unsere Musik illegal vertreiben, entgegen halten können, ist der Versuch einer interessanten Aufmachung, die die Leute wirklich wollen. Wiederum gibt es da wenig, was wir machen können um die Leute zu informieren, dass Stehlen den unabhängigen Künstlern und Labeln wirklich zusetzt und zwar in einem sehr ungleichen Verhältnis vergleichen mit großen Labels. Nein, die einzige richtige Enttäuschung der letzten Zeit ist der Hersteller von lathe-cuts namens PolyCut gewesen, mit dem wir vereinbart hatten, dass er 10”-Platten für uns herstellt. Sie haben die Platten nie gemacht und unser Geld behalten. In Zeiten wie diesen ist es ein niederschmetterndes Zeichen, wenn ein indie-freundlicher Hersteller so mit einem kleinen Label umgeht.

Du spielst da auf die “Who is Listening”-EP an. Wie schwer ist es, bei solchen Angelegenheiten als Band zu überleben?

So etwas trifft einen sehr. Wir sind insofern von einer Veröffentlichung abhängig, weil wir damit die nächste finanzieren. Ohne Rückerstattung und ohne etwas zum Verkauf ist es, als würden wir einen Stapel Geld verbrennen. Wir können für unsere Arbeit nichts vorweisen.

Du hast auf Hand/Eye einer Reihe von Alben anderer Musiker heraus gebracht, beispielsweise bekam Sarah June so eine gute Starthilfe. Verfolgst du ihre Aktivitäten noch, wo sie mittlerweile im Indiebereich etwas populärer geworden ist, oder fandest du es eher enttäuschend, dass sie ihr zweites Album woanders veröffentlicht hat (auf deiner Website steht “wenn ihr nicht bereit seid, uns ein zweites Album zu versprechen, dann schickt uns nichts”)?

Gewisse andere Labels benutzen Hand/Eye für die Suche nach Künstlern und neuen Trends. Es ist VIEL schwieriger, jemanden mit einem ersten Album aufzubauen, als irgendwo herein zu schneien und jemanden für das zweite Album abzugreifen. Wegen solcher Dinge sind wir sehr vorsichtig geworden, wenn es darum geht, mit neuen Leuten zu arbeiten. Es ist sehr schade, denn ich hatte das Gefühl, dass ich recht gut darin bin, neue und interessante Künstler ausfindig zu machen – aber ich sehe mich nicht mehr wirklich um. Ich und meine engen Freunde können genug Musik aufnehmen, um den kompletten Veröffentlichungskatalog zu füllen. Stone Breath und The Trees Community sind mit Abstand die meistverkauften Sachen auf dem Label. Das Label leidet nicht gerade darunter, wenn ich den Katalog mit Stone Breath auffülle – eher im Gegenteil.

Was kannst du uns über die Hintergründe der “Full Moon”-Serie sagen, die auf Hand/Eye mit Beiträgen von Leuten wie In Gowan Ring, Wooden Wand oder David Tibet erschienen ist? Ich erinnere mich, dass du Pläne für eine neue Subskriptionsreihe erwähnt hattest. Wurden die zurückgenommen?

Neddal Ayad (the does, Desolation Singers) und ich hatten die Idee zu dieser Serie. Wir dachten, das wäre eine gute Möglichkeit, ein paar unbekanntere Künstler mit anderen zusammen zu bringen, die etwas bekannter sind. Es hat Spaß gemacht, war aber auch eine Menge Arbeit jeden Monat.

Wir hatten schon mal die Idee zu einer neuen Subskriptionsserie. Wir hatten das mit Crow Tongue vor – grundsätzlich würde immer ein anderer Künstler Crow Tongue remixen oder Crow Tongue einen anderen Künstler. Aber es sollte nicht sein. Wir werden aber vielleicht eine andere Serie machen, wenn wir genügend Unterzeichner zusammen bekommen.

Vor ungefähr zwei Jahren sprachen wir nach einem Birch Book-Konzert mit B’ee und er sagte, es gäbe Pläne, eine erweiterte Neuauflage von “Full Flower Moon” herauszubrigen. Ist das imemr noch geplant?

Bee und ich können uns da noch nicht einigen. Ich denke, er hätte das gerne im Mai draußen – und ich kann nicht so präzise planen. Alles, was ich mache, verzögert sich, wie es scheint. Ich hoffe, dass wir das hinbekommen, denn es ist eine fantastiche Sammlung von Liedern.

Begriffe wie “Independent” und “do it yourself” sind leider etwas zu Stereotypen geworden, auch wenn das, was sie eigentlich bedeuten, vielleicht wichtiger ist als je zuvor. Ist es dir wichtig, so unabhängig wie möglich von den Moden des Mainstream zu sein?

Ich versuche den Mainstream nicht bewusst zu vermeiden Ich denke, dass in der modernen Popkultur größtenteils das durchgeht, was schwach, verwässert und ungefährlich ist. Wir sind unabhängig, weil uns niemand ernsthafte Angebote macht – bislang war kein Angebot, dass man Stone Breath unterbreitet hat, der Band gegenüber wirklich vorteilhaft. Wir machen es selbst, weil es niemand für uns machen will. Es ist gut. Es hält uns bei der Arbeit.

Ist die Arbeit auf einer Farm (ich bin nicht sicher, ob es deine eigene ist…) etwas, dass du auch in dem Zusammenhang siehst, und betrachtest du Familie, Landwirtschaft und Musik als Teil eines größeren Ganzen? Ich frage mich ebenso, wie sehr die aktuellen ökonomischen Krisen dich da beeinträchtigen (falls die Frage nicht zu privat ist). Würdest du sagen, dass deine Art zu leben dir eine gewisse Autonomie gibt?

Die Arbeit auf der Farm meines Vaters ist nur eine von vielen Sachen, die ich gamacht habe. Seit mein Vater älter geworden ist und ich weiter weg gezogen bin, machen wir dort immer weniger. Es war nur eine sehr kleine Farm – wir bauten nur Sachen für uns selbst an – und ein bisschen Vieh. Nichts sehr Großes. Was mir das Großwerden auf einer Farm aber gegeben hat, ist ein Gefühl für die Jahreszeiten und die Kraft des Pflanzens und Samensetzens und die Wichtigkeit der eigenen Hände Arbeit.

Ich denke, mein ganzes Leben hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Aufwachsen auf einer Farm, als Teenager das ganze DIY/Punk-Ding kennen lernen, Fanzinekultur, experimentelle Musik, Folkmusik und das Ganze drumherum… All diese Dinge und mehr haben mich zusammen zu dem gemacht, der ich bin. Ich mache irgendwelche Gelegenheitsarbeiten und Teilzeitarbeiten – um so leben zu können, wie ich will und um Kunst und Musik machen zu können – aber es mag eine Zeit kommen, in der ich wieder einen anderen Vollzeitjob machen muss, und ich weiß aber, dass ich deshalb nicht weniger Künstler oder Musiker bin. Ich weiß nicht, wie autonom ich in Wirklichkeit bin. Wahrscheinlich nicht so sehr, wie ich es gerne hätte.

Vor einigen Jahren nanntest du einmal als eines deiner größten Ziele die Versöhnung deines animistischen Herzens mit deinem chrislichen Geist. Strebst du immer noch danach, und würdest du sagen, dass du dich dem ein wenig angenähert hast?

Ich weiß es nicht. Ich muss zwischen dem amerikanischen Protestantismus (der mir ziemlich fremd ist) und dem Katholizismus (welcher die Religion ist, mit der ich aufwuchs) eine vertandesmäßige Trennung vornehmen. Ich bin mittlerweile vorsichtig mit dem Wort “christlich”, denn zumindest in den Vereinigten Staaten wird der Begriff ziemlich häufig gerade von den Leuten großspurig verwendet, die meiner Ansicht nach nicht sehr christlich sind.

Animismus ist immer in meinem Herzen. War es immer – schon bevor ich es so genannt habe. Ich sehe es nicht im Gegensatz zur Marienverehrung im Katholizismus – in dem großen, seltsamen, fraktalen Bild von Geist und Natur gehen Glaube und Zweifel manchmal Hand in Hand. Manchmal muss ein jüdischer Mann von einer Jungfrau geboren werden und an einem Baum hängen, damit wir uns an den Platz der Natur in der Ordnung der Dinge zu erinnern. Ein anderes mal müssen Engel die Form von Bäumen annehmen. Wälder werden zu Kathedralen. Es ist alles zusammen gesponnen in einem großen silbernen Netz.

Viele Motive in deinem Songwriting verweisen auf etwas, das man gemeinhin als heidnische Aspekte im Christentum bezeichnet, und deine Selbstbeschreibung (“Stone Breath ist Teil der Erde. Metall, Haar, Holz, Haut, Fleisch, Atem und Knochen machen unsere Musik. Wir singen Hymnen an Gott und den grünen Wald“) deutet ebenfalls ein eine solche Richtung. Würdest du sagen, dass solche Dinge generell zu kurz kommen in der heutigen populären Religiosität?

Ich denke schon, ja. Folk-Traditionen – die meisten hatten einen heidnischen Ursprung und wurden dann in das Christentum eingegliedert – wurden sozusagen vom Unkraut gereinigt in dem Versuch, ein rigides “reines” Christentum zu bekommen – was irgendwie ein Witz ist. Diese Dinge zu verlieren heißt, etwas Essentielles zu verlieren. Etwas sehr Schönes.

Bist du am frühen Christentum interessiert und wenn ja, welche Schriften betrachtest du als unverzichtbar für deine eigene spirituelle Entwicklung?

Ich denke, das hängt etwas von der geographischen und chronologischen Definition von “früh” ab. Ich hatte früher großes Interesse an apokryphen Schriften, gnostischen Texten u.s.w. Die “Wüstenväter” und all das. Ich denke, das interessiert mich immer noch, aber spätere Schriften wie die von Hildegard of Bingen und ihre Visionen vom Leben Marias und Aufzeichnungen von und über die keltischen Heiligen – solche Sachen interessieren mich in der letzten Zeit noch mehr. Ich verstehe sie besser. Aber Bücher über Synchronizität oder Naturbeschreibungen – auf gewisse Weise kann dies für mich spirituell ebenso kraftvoll und bewegend sein.

Du hast unter anderem Musik beim australischen Label Camera Obscura herausgebracht und auch deren “The Serotonin Ronin II”-Compilation visuell gestaltet. Der Tod des Eigentümers Tony Dale ist ein großer Verlust für die Folkszene und für die alternative Musik generell. Wart ihr enge Freunde und was kannst du uns über die Zeit eurer Zusammenarbeit erzählen?

Ich vermisse Tony und Camera Obscura sehr. Er war ein Freund und eine große Unterstützung. Er war der erste, der irgendwie an Stone Breath glaubte. Ich war immer stolz, dass “Songs of Moonlight and Rain” die erste Camera Obscura-Veröffentlichung war. Tony hat eine Menge großartiger Musik heraus gebracht und viele Bands auf ihrem Weg unterstützt. Ich denke nicht, dass du jemanden finden würdest, der irgendetwas anderes über Tony zu sagen hätte als lobende Worte, und viele werden es besser ausdrücken, als ich es kann. Er war ein besonderer Mann und ein Segen für die Underground-Musik.

Gibt es noch etwas, dass du hinzufügen magst oder eine Frage, die du gerne hören würdest?

Only my contact information: revelator@lostgospel.org

(M.G. & U.S.)

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