AMBER ASYLUM: Live In Wroclaw

Seit Gründung Mitte der 90er spielen Amber Asylum eine Musik, bei der Streicher ins Zentrum gerückt werden und die man vielleicht in Ermangelung eines besseren Begriffs als eine Form der Kammermusik bezeichnen könnte, was m. E. besser passt als das Label Postrock, das die Band selbst auf ihrer Website verwendet und das oft auch in Rezensionen fällt – was sicher auch damit zu tun haben mag, dass Kris T. Force, die seit Anbeginn die einzige Konstante im Lineup ist, in den letzten Jahren auch u.a. durch ihre Arbeit mit Steve von Till in einem Postmetal/Postrock-Kontext rezipiert und verortet wird. Dabei lassen sich in ihrer musikalischen Sozialisation auch Verbindungen zum Postindustrial finden: So spielte sie mit Monte Cazazza und Michelle Handelman kurzzeitig als The Love Force und war Ende der 80er in San Francisco an einer Zelebration von „America’s most famous boogeyman“ beteiligt, bei der die Grenzen von Subkultur und lunatic fringe verschwammen. Das vorneweg, denn der hier auf Vinyl gepresste Livemitschnitt wurde während Amber Asylums Auftritt beim 10. Breaslauer Industrial Festival am 11. November 2011 mitgeschnitten.

Die sechs Stücke – inklusive zwei neuer bislang unveröffentlichter und einer Coverversion – zeigen die aus Force, Leila Abdul-Rauf (u.a. noch bei den ebenfalls in San Francisco ansässigen Bands Hammers of Misfortune und Saros tätig) und Sarah Rosalena Brady bestehende Band in beeindruckendem Zusammenspiel und das in bestechender Klangqualität. „Perfect Calm“ beginnt mit dezent gezupfter Gitarre, zu der eine Geige hinzukommt, die den melancholischen Gesang begleitet. Der „perfekten Stille“ wohnt allerdings auch ein Moment der unterschwelligen Bedrohung inne. Fast nahtlos geht das Stück in „Thee Apothecary“ über: eine sehr getragene Nummer, in der Geige und Bratsche einen Klagegesang anstimmen, in der der Gesang aufgehoben zu sein scheint. „Looking Glass“ knüpft mit dem Zusammenspiel von Gitarre und Streichern an den Opener an. Die zweite Seite wird von dem Candlemass-Cover „Tot“ eröffnet. Die Langsamkeit des Originals wird beibehalten; dessen Schwere setzt die Band durch das Zusammenspiel von Klavier und Strichern um. Die Mischung aus Ruhe und eruptiven Momenten (die im Original durch heftige Gitarrenriffs zum Ausdruck kommen und die hier durch dramatische Bratschenpassagen ersetzt werden), fehlt hier, stattdessen passt diese Interpretation zur Ausrichtung der restlichen Stücke. „Your Executioner“ – zusammen mit „Perfect Calm“ einer der beiden bislang unveröffentlichten Tracks und das vielleicht experimentellste Stück – beeindruckt mit zweistimmigen Gesang, reduzierter Perkussion, dezentem Gitarreneinsatz und Drones. Das von dezenten Klavierakkorden geprägte „Bitter River“ beendet den Auftritt.

Die sechs Stücke wirken trotz der unterschiedlichen Entstehungszeiten („Looking Glass“ stammt vom zweiten Album) wie Teile eines Ganzen, sind im positivsten Sinne homogen ohne dass es vorhersehbar wird. Der teilweise durchaus ätherische Gesang hat etwas durchgängig Kraftvolles und keinen Moment gleitet er ins Weinerlich-Sentimentale ab – etwas, das oftmals die Kapellen prägt, die im Schatten von Dead Can Dance weiblichen Gesang inmitten von Esokitsch und Räucherstäbchen inszenieren. Zur getragenen Stimmung der sechs Stücke passt auch das im denzenten Grau gehaltene Cover, auf dem vorbeiziehende Vögel zu sehen sind: „Die Krähen schrein/Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:/Bald wird es schein, – /Weh dem, der keine Heimat hat!“

M.G.

Label: Cathedral Music