So variantenreich Black Metal auch ist, auf die Gitarre wird selten verzichtet. Klammert man stilfremde Nebenprojekte aus, so bleiben nur wenige Ausnahmen wie beispielsweise die griechischen Necromantia mit ihren zwei Bässen. Botanist, das seit rund drei Jahren bestehende Einmannprojekt aus der kalifornischen Bay Area, erreicht mit seinem Gitarrenverzicht einen fast konträren Effekt, was an der Wahl eines für Black Metal ungewöhnlichen Instruments liegt. Statt einer Gitarre verwendet der Musiker, der sich Otrebor nennt, nämlich einen Hammered Dulcimer, hierzulande bekannt als Hackbrett.
Von Haus aus Drummer fällt ihm das perkussive Saitenspiel nicht schwer, wenngleich zwischen den rhythmischen Passagen immer wieder Momente vorkommen, in denen das schnelle Spiel einen flächigen Eindruck rasenden Stillstandes entstehen lässt. Und es gibt Augenblicke von starker Klangfülle, in denen man fast vergisst, dass man es nur mit den von Otrebor selbst eingespielten Instrumenten Schlagzeug und Hackbrett zu tun hat – wilde, infernalische Jagden, begleitet von hasserfülltem Gekeife, dann wieder starre, paralysierte Klangmauern. Die amerikanische Traditionslinie von Weakling über Velvet Caccoon bis Wolves In The Throne Room stand sicher Pate, auch frühe Burzum kommen einem in den Sinn. Gerade mit den amerikanischen Kollegen verbindet ihn auch das inhaltliche Konzept, das mindestens so markant ist wie die Instrumentierung. Botanist (schon der Name impliziert es) frönt der im Black Metal noch eher jungen Vorliebe für Positionen, die gemeinhin als „ökoterroristisch“ gelabelt werden, und er verbindet seine radikale und mythologisch eingefärbte Umwelt- und Naturverbundenheit mit Misanthropie und einer Affinität zu allem Apokalyptischen. Kurz gesagt prophezeit Botanist eine Welt, in der Pflanzen die Herrschaft über den Planeten Erde erlangt haben. Tierisches Leben darf nicht fehlen, da es für ein botanisch dominiertes Ökosystem unerlässlich ist, aber in den selbstentworfenen Mythen mag es vernachlässigt werden. Und an die merkwürdigen Primaten, deren Schreckensherrschaft vor allem in den letzten Jahrhunderten infernalische Ausmaße annahm, erinnert kaum mehr etwas, sobald man sich erst einmal in Botanists Utopie begeben hat. Natürlich ist das vor allem der Stoff für einen SciFi-Roman und jede Menge verträumtes Wunschdenken – v.a. die vor einiger Zeit in einem Interview geäußerte Vorstellung, dass die (pflanzliche) Natur den Fremdkörper Mensch ohnehin früher oder später entsorgen werde und jeder Aktivismus daher unnötig sei, wirkt weltfremd, wenn man denn den Fehler macht, sie allzu wörtlich zu nehmen, statt sie primär als Ausdruck eines ästhetisch manifestierten Unbehagens zu sehen. Guter Black Metal ist niemals direkt politisch, sondern vor allem Narration, die Haltungen eher andeutet und dabei gerne überzeichnet.
Hackbrett-BM in Reinkultur gab es vor allem auf den ersten beiden Alben „The Suicide Tree“ und „A Rose From The Dead “, die als Doppel-CD erhältlich und längst kein Geheimtipp mehr sind. Doch Botanist häutet und entwickelt sich stets, immer dem jeweiligen Konzept verpflichtet. Auf der jüngsten Veröffentlichung steht mehr denn je der Aspekt des Unausweichlichen im Vordergrund, weswegen die Musik auch – nomen es omen – einen doomigeren Ton als bisher anschlägt. Die wesentliche Neuerung auf „Doom in Bloom“ betrifft indes weniger das Tempo als den Aufbau und den Verlauf der Stücke, denn statt kurzer, heftiger und ohne Umschweife beginnender Soundgewitter gibt es sehr lange Kompositionen von verhältnismäßig wechselhafter Struktur, bei der auch die melodische Seite mehr zum Zug kommt. Natürlich sind die Stücke auch schleppender, und über weite Strecken des Openers z.B. erinnert hauptsächlich der aggressive Flüstergesang an BM. Doch auch in den langsamen Passagen verfällt die Musik niemals dem Phlegma, sondern ist stets kraftvoll-heroisch, so dass der Bruch zu Blastbeats nur eine Frage der Zeit ist. In den nachfolgenden Stücken gibt es repetitive, schnelle Passagen, aber auch rappelige Marschtrommeln. Furcherregendes Flüstern wechselt sich mit hysterischem Kreischgesang ab, experimentelle Passagen mit folkigen Momenten. Auf der zweiten Seite sind unter dem Titel “Allies” eine Reihe von Kollaborationen zusammengestellt, die veranschaulichen, was Botanist noch alles sein könnte, würde er sich entscheiden, kein Soloprojekt zu sein. Die Seite ist offener gestaltet, das verbindende Element neben der Pflanzenthematik liegt im Drumming. Zusammen mit Matrushka, die mir – wie sämtliche andere Mitwirkende – unbekannt sind, entsteht ein soundorientiertes Stück mit Froschquaken. Mit Cult of Lenneus entsteht erneut doomiger Black Metal, der von der Ophidian Forest-Kollaboration an drückendem Pathos überboten wird. Hervorzuheben sind auch Lotus Thief und Bestiary mit weiblichen Vocals.
Trotz Titel und Downtempo auf weiten Strecken spielt Botanist m.E. immer noch eher Black Metal, wenn auch von einer Art, die sich vielfältiger Doom-Elemente bedient. Für eine reine Doomplatte fehlt dem Album die bleierne Schwere ebenso wie der unterschwellige Protestantismus vieler Vertreter (Doom ist ja schon als Begriff näher an der christlichen Vorsehung als am antiken Konzept des Schicksals). Hervorragend ist übrigens auch das Artwork aus dem Atelier von Matt Waldron, der ebenfalls als Musiker (irr. app. (ext.), Nurse With Wound) bekannt ist – beim Anblick der Alraune, die dem nichtsahnenden Hörer da ins Ohr krabbelt, erscheint mir das Konzept doch längst nicht so anti-aktivistisch zu sein, wie behauptet. (U.S.)
Label: Totalrust Music