Es gibt eine Menge Versuche, traditionell akustische Klänge mit moderner Experimentierfreude zu kombinieren, doch der direkte Versuch, Urtümlichkeit mit Abstraktion und Disharmonie zusammen zu führen, wird seltener unternommen. Zu groß ist wahrscheinlich der Reiz, beim Erforschen des Ursprünglichen das vermeintlich Authentische zu suchen, die nostalgische Schwermut oder gleich den Kitsch. Ausnahmen gibt es, und vermutlich denkt jetzt so mancher an Animal Collective, deren Anhängern ich bis zum St. Nimmerleinstag die weniger hippen, aber umso usprünglicheren Sun City Girls empfehlen werde. Von irgendwelchen ganz obskuren Projekten einmal ganz abgesehen. Wendet man den Blick nach Europa, so könnte man bei der Suche nach Entsprechungen in der nordspanischen Küstenprovinz Asturien fündig werden, der Heimat des Projektes Pablo und Destruktion.
Pablo und Destruktion ist das Hauptbetätigungsfeld von Pablo G. Diaz, der bereits in anderen Bands (u.a. Silencio Oso) für Gitarre, Mikro und mehr zuständig war und bei seinem neuen Projekt bisweilen Unterstützung von der zur Zeit vor Kreativität übersprudelnden Fee Reega bekommt. Die oben genannten Gegensätze ziehen sich durch sämtliche Seiten seiner Musik, angefangen bei seinen Auftritten („echte Happenings inklusive Tanz, Malerei und mysteriöser Rituale“, wie kürzlich jemand schrieb) bis hin zu dem im wahren Wortsinne merkwürdigen Bandnamen. Pablo, so könnte man schlussfolgern, steht für ebenso kräftigen wie sanften Baritongesang von der Art, den der Mitteleuropäer gerne mit den Attributen „warm und mediterran“ versieht, sobald die Texte in einer romanischen Sprache wiedergegeben werden. Für stimmungsvolles Gitarrenpicking, eingängige Synthies und dezente Rockismen psychedelischer Art. Destruktion dagegen würde für die weniger schöngeistigen Aspekte stehen, für kratzige Störeffekte, für spielerisch einmontierte Feedbackschleifen und andere Momente der Disharmonie, ohne die das Projekt nicht wäre, was es ist. So einfach könnte man es sich machen. Interessant und schön ist jedoch, dass es im Endeffekt kaum wie die Zusammenführung von Unpassendem klingt.
Ob Pablos Stil sich im entspannten Gitarrenpicking manifestiert wie in „Extranjera“ oder doch eher im elektronischen Takt mittlerer Gangart im fast poppigen „Agujero“ – zusammen mit den folkigen Momenten und dem spanischen Gesang kann das durchaus Exotismus bedienen, als Aufhänger und neugierig machendes Einfallstor, und macht doch deutlich, dass hier mehr Substanz vorhanden ist, zu viel Ernsthaftigkeit für Kitsch, zu viel unerwartete Brechungen für wohlklingende Schöngeiserei ohne Markanz. Die Brechung, das kann mechanische Stimmbearbeitung sein, verzerrte Krautgitarren oder fantasievolles Dröhnen aus den Tiefen des Unbewussten, am stärksten jedoch findet sie sich als kaum greifbares Element in der Stimmung der Songs. „Pequeña Retorcida“ erinnert in seinem kernigen Sound und seinem Midtempo-Takt an späte Can, mein Lieblingsstück „Du Bist El Sol“ dagegen ist eine seltsame Mixtur aus Schamanengesang und dem ohnehin schon hybriden Rockstil, den man mit dem Südwesten der USA assoziiert.
So ausdrucksstark die Musik, so wichtig auch die Inhalte, die sich durch die elf Songtexte ziehen, und die der Vinlyversion auch in englischer Übersetzung beiliegen, inklusive einer CD mit drei der Songs in Englisch. Wer davon kein Exemplar mehr bekommen sollte, der muss die ebenso schön gestaltete CD-Version keineswegs als Trostpreis betrachten.
Label: Pauken Grabaciones