V.A.: Reuse, Recycle, Remix (C-60 Tape, lim. 16)

Ich bin eigentlich kein Freund von so ganz strengen Limitierungen, aber der Legende nach soll es sich bei dieser Tape-Compilation mit einer Stückzahl von abenteurlichen sechzehn Exemplaren ohnehin etwas anders verhalten haben als üblich: Eine der beteiligten Personen, Gerüchten zufolge Flavio Rivabella, ein italienischer Soundart-Trompeter und Betreiber des verantwortlichen DIY-Labels, muss wohl sechzehn alte, verstaubte Tapes aus seiner Jugend gefunden haben, irgendwo in den Tiefen eines seit Ewigkeiten nicht mehr geöffneten Schrankes im heimischen Keller. Wegwerfen wäre für den Mann, der den gängigen Gepflogenheiten doch eher kritisch gegenübersteht, nicht in Frage gekommen, ein Anflug von Nostalgie tat sicher sein übriges. Überspielen, natürlich – aber wofür braucht man gleich mal sechzehn Kassetten?

Ein Konzept, das die Idee der Wiederverwertung weiterspinnt, war die Antwort, und Kollegen, die sich an der Aktion beteiligen sollten, waren dann auch schnell gefunden: Neben Flavios eigenem Projekt DBPIT & XxeNa, bestehend aus seiner Partnerin Arianna und ihm, trugen drei weitere Acts vom Stiefel ihren Teil bei. Jeder Teilnehmer musste ohne lange Planungen in der eigenen musikalische Vergangenheit nach wiederverwertbaren Sounds Ausschau halten, und wie bei den sechzehn Tapes musste man mit dem vorlieb nehmen, was da ist. Was da in der mit altem, wiederverwertetem Papier und Plastik spontan gebastelten Verpackung (nichts ist neu!) steckt, lässt hoffen, dass die Bänder so schnell nicht reißen.

Die Initiatoren steuern eine bedrohliche Kulisse aus wellenförmigen Ambientdrones bei, in die sich bald hypnotische Takte mischen, die zeitweise an eine eigenwillige Bearbeitung exotischer Saiteninstrumente erinnern, natürlich kennt man das eine oder andere, aber das haben Remixarbeiten nun mal so an sich. Der Panoramaschwenk überfliegt recht zügig eine ausladende Klanglandschaft, die chaotische und übersichtliche, lärmende und wohlklingende Passagen beinhaltet. Was natürlich nicht fehlen darf, ist die Trompete, deren smoother Klang sich gegen ätzende Schleifgeräuche behauptet – und Ariannas unterkühlte Erzählstimme, die einen der großen Momente ihres Debütalbums verarbeitet. Ganz schön urig dagegen die rumpeligen Aggroklänge von Fecalove, einer sleazigen Harsch/Powernoise-Kapelle, die hektische und extrem zurückgenommene Passagen aufeinander prallen lässt und auf die Originalaufnahmen neugierig macht. Der Klang gegen die Wand geschmetterter Blechdosen erinnert auch an Recycling im herkömmlichen Sinne. Ganz andere Klänge kommen vom Multimedia-Trio Les MistonS, oft im Hintergrund brodelnde organische Retrosounds, welche eine Breakcore-Eruption erwarten lassen, die ausbleibt. Stattdessen erfolgt der Ausbruch in Form archaischer Trommelwirbel. Der Übergang zum Neofuturisten Massimo Croce erfolgt zunächst fast unbemerkt, aber bei der längeren Ansprache, die nach dem Off-Kommentar aus einem 70er-Film klingt, hat man offenkundig den Schauplatz gewechselt und findet sich in einem Sci Fi-Szenario voll skurriler Samples und Feldaufnahmen wieder.

Natürlich würden sich mehr als sechzehn Leute für dieses Projekt interessieren, aber das Ganze ist schließlich eine Veröffentlichung ganz außer der Reihe und u.a. ein Statement gegen alles Geplante, Konstruierte und Kalkulierte, wegwerfen ist hier uncool und halbgar und das Bruttoinlandsprodukt darf diesmal bleiben, wo der Pfeffer wächst. Vielleicht sollte jemand bei seiner nächsten Romreise heimlich ein paar hundert alte Tapes in Flavios Keller schleusen. Die Adresse rücke ich allerdings nur für einen fünfstelligen Bestechungsbetrag heraus.

Label: GattoAlieno