WOVENHAND: The Laughing Stalk

Als David Eugene Edwards in der Endphase von Sixteen Horsepower den Ableger Woven Hand ins Leben rief, war dieser noch als Soloprojekt gedacht. Und obgleich mittlerweile ein ereignisreiches Jahrzehnt ins Land gezogen ist und sich um den Namen schnell eine feste Gruppe formierte, blieb die Band für mich doch immer Edwards’ Band – das persönliche kreative Medium eines Charismatikers, neben dem andere Musiker automatisch verblassen, selbst wenn sie gut sind. Und in allen mir bekannten Fällen sind sie das. Edwards, der von religiösen Fragen wie von Dämonen getriebene und in diesem zeitlosen Getriebensein doch bodenständige Sucher, ist in seinem Ausdruck ernst und radikal, und dennoch gibt es auch eine Art Offenheit, wenn man das Wort einmal von allen halbgaren Stereotypen löst. Woven Hand, die sich bald Wovenhand schrieben, verlangen keine Zugeständnisse, die religiöse Inbrunst der Texte berührt tief und stellt den Hörer doch nie vor die Wahl, entweder mitzugehen oder den Zugang zu verlieren. Ich schrieb schon ähnliches zu Al Cisneros und David Tibet. Dass die Musik solcher Künstler vermutlich nur zu einem geringen Teil von Leuten gehört wird, die ihr Credo teilen, ist mehr als bloß Trivia.

Wesentlich trivialer dagegen wäre in Edwards’ Fall der Versuch, die musikalischen Ergebnisse dieses Getriebenseins in irgend einer Form zu rubrizieren. Wörter wie Brimstone Rock, Alt Country oder American Gothic greifen schon deshalb zu kurz, weil sich Wovenhand stets neu erfindet und jedem Album neue klangliche und oft auch instrumentelle Facetten verleiht. „The Laughing Stalk“ wurde inzwischen so sehr als stilistische Zäsur apostrophiert, dass ich fast gegensteuern und auf das ebenfalls rockige „Ten Stones“ verweisen möchte. Freilich, der bislang größte Musikerwechsel in der Bandgeschichte hinterlässt Spuren, und Musiker wie Chuck French und Gregory Garcia jr. an den Saiten und Alexander Hacke, der im Studio das letzte Wort hatte, verpassen dem Werk eine eigene Handschrift. Man braucht bei „Long Horn“, welches die Geister eines von tausend Projektionen zugekleisterten Westens weckt, eine Weile um Wovenhand zu erkennen, und findet sie spätestens wenn der Gesang einsetzt, dessen Melodie so faszinierend und berührend ist wie eh und je. Das Titelstück ist rockballadesk wie wenige Songs zuvor, wenngleich ich hier auch die Echos von „Whistling Girl“ und „Dirty Blue“ aus Stimme und Gesangsmelodie heraushöre. Der Titel weckt vielfältige Assoziationen – der sprichwörtliche „laughing stock“ (also jemand, der sich zum Gespött macht, eine Witzfigur), das so betitelte Talk Talk-Album, in Edwards’ Wortspiel und im Zusammenhang mit dem Covermotiv zuletzt auch der Pflanzenstil: ein Symbol, das in vielen paganen Kosmologien für Wachstum, Verwurzelung und die Verbindung von Himmel, Welt und Unterwelt steht und an Edwards’ Sympathie für die amerikanischen Heiden denken lässt (und ich meine damit keine angloamerikanischen Nordmänner). In „Coup Stick“ kommt dieses Interesse an den Native Americans erneut zur Geltung: Ein fast mittelalterlich klingendes Loop wird hier von einer tribalistischen Trommel begleitet, bei deren Klang man bereits den rituellen Tanz assoziiert, der im Video-Clip zu dem Song aufgeführt wird. Die Ernsthaftigkeit der Umsetzung in Klang und Bild verdeutlicht schnell, dass dies bei Edwards keineswegs nur historisierendes Kolorit ist, und verweist viel mehr auf das Gemeinsame in vielen mysthischen Traditionen, für das Edwards ein ebenso gutes Gespür hat wie sein weniger bekannter Kollege Timothy Renner. Die Perkussion, Beitrag des aus früheren Besetzungen einzig verbliebenen Ordy Garrison, ist eines der verbindenden Elemente auf “The Laughing Stalk” und ebenso charakteristisch wie die Rockelemente, die in „King O King“ und „As Wool“ zu ihrer Höchtform auflaufen. Meine persönlichen Favoriten sind Songs, die noch am ehesten den klanglich-atmosphärischen Rahmen sprengen – da wäre „Maize“, bei dem der Rhythmus mit einer feinfühligen Pianospur interagiert, während Edwards’ Stimme geisterhaft wie der Wind übers Firmament hallt. Und nicht zuletzt „In The Temple“, das mit einem galoppierenden Rhythmus in einen düsteren Sergio Leone-Streifen gepasst hätte.

The Laughing Stock ist zweierlei, ein handwerklich mehr als gelungenes und atmosphärisch ungemein einnehmendes Werk. Richtet man sein Augenmerk auf Ersteres, dann fallen die Leistungen der ausgewechselten Bandbesetzung stark ins Gewicht. Richtet man sein Sensorium auf Letzteres, so erscheint das Album als das, was Wovenhand schon immer war – als das Werk eines Getriebenen, der schöpferisch sein will, kann, und vor allem muss.

Label: Glitterhouse