Fast immer sind William Basinskis Arbeiten (auch) Meditationen über das Wesen der Zeit und der Vergänglichkeit, die dem Hörer aber – zumindest für die Dauer der jeweiligen Komposition – das Gefühl geben aufgehoben, der Tyrannei der Zeit entzogen und entrissen zu sein – trotz oder gerade wegen des melancholischen Charakters der Musik. Etwas, das dem inzwischen in Los Angeles ansässigen Basinski mit „Nocturnes“ erneut gelingt. Der Titel verweist natürlich an die ursprünglich im Barock entstandenen und insbesondere in der Romantik populär gewordenen Klavierkompositionen gleichen Namens; gleichzeitig sollte man aber auch an den amerikanischen und in England lebenden Maler James Mc Neill Whistlers erinnern, der im 19. Jahrhundert eine Reihe seiner (nächtlichen) Landschaften in Anlehnung an eben diese Klavierstücke als „Nocturnes“ bezeichnete. Basinski sagte in einem Interview, er habe bei der Entstehung des Titelstückes im Jahr 1979, den Anschlag der Tasten abgeschnittten und das erwecke den Eindruck, das Klavier werde unter Wasser gespielt. Das ist tatsächlich eine gute Referenz: Während der 40 Minuten, in denen die Klavierloops minimal variiert werden, hat der Hörer den Eindruck, einem einsamen Pianisten zu lauschen, der auf dem Meeresgrund bar jeden Lichts sein Instrument spielt. Von der (gedämpften) Stimmung erinnert das durchaus an einige Arbeiten von The Caretaker. Sucht man im Werk Basinskis Vergleiche, so lassen sich entfernt Parallelen zu den auf „Variations – A Movement in Chrome Primitive“ enthaltenen Pianoloops finden.
Der Hinweis auf den Unterwassercharakter des Stückes passt natürlich zu einem Künstler, dessen letzes, im Jahr 2009 veröffentlichte Album „Vivian and Ondine“ ein Stück enthielt, das dazu diente, das etwas auf sich warten lassende Kind seiner Schwägerin in/auf die Welt zu holen- vielleicht sollte der Kontrast zwischen Mutterleib und Welt eingeebnet werden: kein In-die-Welt-geworfen-werden sondern ein (sanftes) Hinübergleiten.
Das 2009 entstandene Stück „Trail of Tears“ wurde in Auszügen für die Robert Wilson-Oper „The Life and Times of Marina Abramovic“ (an der u.a. Antony beteiligt war) verwendet, ist etwas kürzer und von leicht anderer Stimmung: Auch hier finden sich zwar Pianoloops, die aber leicht verzögert werden. Zudem verlieren sich die Loops im Verlauf teilweise in einem dunklen Grundrauschen, wodurch das Stück eine etwas düstere Note bekommt – was vielleicht den Pfad der Tränen – ein Begriff, der nicht nur der indigenen Population der USA Tränen in die Augen treiben sollte – illustrieren mag.
M.G.
Label: 2062