David E. Williams taucht zuverlässig in jedem Dark Folk- und Dark Cabaret-Kanon auf und liegt konsequent quer zu allen Standards solcher Musik. Gleich zweimal das Wort „dark“ in den ersten Satz zu packen war nicht einmal beabsichtigt, aber als allgemeines Attribut ist es mehr als legitim. Williams ist ein Unikat, will man ihn dennoch charakterisieren, dann vielleicht am ehesten als schwarzgalligen Zwillingsbruder von Daniel Johnston, als idealen Star sämtlicher Houellebecq-Verfilmungen, als liebenswürdig-verbiesterten Anti-Crooner, der einem selbstverliebten Zeitgeist seine verqueren Schlager mit viel Zynismus und Galgenhumor entgegen schleudert. Das de Sade’sche Spiegelvorhalten, manche mögen es einseitig finden, beherrscht er besser als jede Industrial-Combo, und ich wüsste niemanden aus der Riege, der aus dem berüchtigten „General Dada“ je eine derart überzeugende Monty Python-Figur gemacht hätte.
Seiner Mischung aus Clownerie und Sarkasmus hat er nie wirklich abgeschworen, ebensowenig seinem ambivalenten Spiel mit Tabus. Dennoch gab es über die Jahre einige Veränderungen: Irgendwann verschwanden die Post Punk-Reste des Frühwerks und ließen den kabarettistischen Elementen vollends das Feld. Auch die Stimmung differenzierte sich aus, und der Bösartigkeit gesellte sich ein ernsthaftes und ebenso anrührendes Moment zur Seite, das typisch für reifere Solowerke ist. Bei Williams fand dies seinen Höhepunkt im Album „Every Missing Duck Is A Duck Missed“, in welchem er die Trauer um seine verstorbene Frau verarbeitete. „Summer Wasn’t Made for you and me“ war vielleicht sein bis dato bester Song.
Nach vier Jahren ist nun mit „Trust No Scaffold Built Of This Bone“ sein sechster Longplayer erschienen und Williams und seine Mitstreiter sind in Hochform. Es gibt typische Stücke, bei denen man Williams sofort erkennt:„Heats Down the Seeding Missile“ zum Beispiel, bei dem er auf seine unverkennbare Art in die Tasten seines E-Pianos haut, oder das schon von Auftritten her bekannte „What’s Your Scene, Jellybean?“ im Duo mit Jane Elisabeth, auch bekannt als Tesco-Jane. Der cartoonige Kleinkunst-Charme des Songs verdankt sich u.a. auch ihrem Gesang, der lange verschüttete Erinnerungen an Singübungen im Schulchor wachruft. Dominanter als zuvor sind die orchestralen Elemente, die meist für angemessenes Melodrama sorgen und besonders erhabene Textstellen akzentuieren, wie z.B. der Auftritt des Weihnachtsmannes bei „A Patch of Fog in Purgatory“. Der lupenreine Torch Song, den Williams und Band aus Wallace Stevens’ „The Emperor of Ice Cream“ gezaubert haben, wäre ohne die herzzerreißende Violine nur ein Schatten seiner selbst.
Neben Jane gibt es weitere Gäste am Mikro, und sie sind es letztlich, die den Gesamteindruck des Albums am stärksten ausdifferenzieren. Lloyd James schmettert einen Song, der aufgrund seines charakteristischen Gesangs auch auf ein Naevus-Album gepasst hätte, und wer dachte, dass nur Helge Schneider und Jello Biafra übers Essen singen können, wird nicht nur hier eines besseren belehrt. Auch Andrew King darf sich nach seiner eigenen Facon austoben: „Relapse“, auf dem er auch sein Harmonium dröhnen lässt, lässt mit sakraler Würde einen besonderen Moment entstehen, was keineswegs mit der Frage steht und fällt, wie viel Selbstironie da mit im Spielt sein mag. Komik der etwas offensichtlicheren Art gibt es reichlich, so singt der Meister zu Polkaklängen auf deutsch über seine Schwester, die Krankenschwester, wie einst Elvis über’s Städele, und auch das Covergirl Brentley hat seinen Auftritt. Keinem außer Williams würde man einen Song namens „Quackadoodledoo“ nachsehen, weniger tolerant bin ich allerdings bei den Old School-Synthies in „Dashing Harbour“, zu stark sind die Assoziationen zu Karottenjeans, die nicht besser werden, seit manche sie ironisch tragen.
Die Synthieelemente sind vielleicht das offenkundigste Novum, doch „Trust No Scaffold…“ überzeugt auch und vor allem durch Altbewährtes: durch originelles Songwriting, doppeldeutigen Humor und eine mehr als solide Begleitband, bei der auch Williams’ Langzeit-Kopilot Jerome Deppe nicht fehlen darf. Bleibt zu hoffen, dass Williams nun endlich die lange überfällige Anerkennung auch außerhalb gewisser Szenekreise zukommt. (U.S.)
Label: Old Europa Café