Es mag Geschmacksache sein und auch für andere Musikarten gelten, doch gerade im Noisebereich steht und fällt die Intensität von Musik oft mit dem Vorhandensein einer Spannungskurve, welche die einzelnen Sounds davor bewahrt, als ordinäre Slideshow am Rezipienten vorbei zu ziehen. Der in Berlin lebende Harshnoiser Mauro Diciocia alias Torba spielt in der Hinsicht gerne mit den Erwartungshaltungen seiner Hörer, legt falsche Fährten und wiegt sie in der Sicherheit, bloß inmitten eines akustischen Geröllfeldes zu stehen. Erst wenn man sich dort eingerichtet hat, kommt irgendwann recht plötzlich Bewegung ins Bild. Unberechenbare Dynamik und verdichtete Sounds lassen eine Intensität entstehen, die – dem Genre entprechend – im Infernalischen endet. Es sei denn, der Musiker verhindert genau dies durch einen der vielen Brüche, die immer wieder Kehrtwendungen und Neuanfänge einleiten oder auch schon mal ein Stück wie durch einen Filmriss enden lassen.
Diese Vorliebe fürs Unberechenbare passt auch zu seinem neuen Tape, dass nach eigener Angabe die Struktur zerfahrener Beziehungen auslotet und sich in dem gewöhnlichsten Symbol der modernen Familie verdichtet, dem Haus. Viele der verwendeten Samples wurden über einen längeren Zeitraum in leerstehenden Wohnhäusern aufgenommen, auch das skurrile Covermotiv referiert auf diesen Zusammenhang. Dass es bei alldem nicht um seriöse Psychologie geht, impliziert schon der Titel des ersten der beiden Stücke, denn “Vase de Noches” verweist auf einen berüchtigten B-Film der 70er, ein neosurrealistisches Meisterwerk, das die Beziehung eines Farmers zu einem Schwein erzählt. Torbas Umsetzung lebt vom Detailreichtum der schrottigen Sounds, die sehr plastisch einen Schauplatz heraufbeschwören, an dem sich Unerklärliches und Unheilvolles ereignet. Während diverse Soundquellen eine wahre Rumpelkammer füllen, formiert sich im Kleinen bereits früh eine subtile Dynamik, parallel verdichten sich Sounds im Sekundentakt, bis ein entfesselter Sturm alles hinwegfegt. File it under Wall Noise? Nach einem abrupten Szenenwechsel gibt es dann auch die deutlichsten Referenzen an besagten Film mittels Zergrunzen eines kurzen Idylls aus Grillenzirpen und Froschquaken.
Wenn es etwas gibt, das Torbas Musik leitmotivisch zusammenhält, dann ist es die stets zeitgleiche Fokussiertheit auf den narrativen Verlauf ebenso wie auf eine von klanglicher Vielfalt geprägte Breite. Letzteres fällt primär in den Ruhemomenten auf, wenn die Sounds sich ungehindert vom Lärm in ihrer ganzen Gestalt bemerkbar machen, doch auch in den harten Noisepassagen wird all dies vom Lärmfluss erfasst, mitgenommen und doch keineswegs eingeebnet. Dies gilt auch für den zweiten Track, der etwas düsterer gehalten ist, ansonsten aber die gleiche Handschrift trägt. Sind es watende Füße im Sumpf, sind es ultraverzerrte Stimmsamples, die sich aus dem dunklen Rauschen herauskristallisieren wollen, und es doch letztlich unterlassen? Was will der Besoffene mit seinem Gegröhle mitteilen, bevor martialische Rhythmen dem Szenario ein unerwartetes Ende setzen?
Mit solchen Unbestimmtheiten sorgt der Musiker für immer wieder neue Spannungsmomente, die stets subtil bleiben, trotz der zum Teil recht plakativ-humoresken Soundauswahl. In den Brüchen und Leerläufen verfällt Torba nie in pathesiches Schweigen, sondern gewährt dem Hörer Einblicke in die Tiefenstruktur seiner Materials. (U.S.)
Label: Aaltra Records