CUT HANDS: Festival Of The Dead

In musikalischer Hinsicht mag man William Bennetts Übergang von Whitehouse zu Cut Hands als fließend betrachten – in einer Hinsicht jedoch hat sich etwas ziemlich abrupt geändert: Seit langem war Bennett nicht mehr so konstant produktiv wie in den letzten fünf Jahren, seit langem schon waren die Abstände zwischen seinen Releases und Gigs nicht mehr so kurz wie in den Zeiten des sogenannten Afro Noise. Zum Teil mag das damit zusammen hängen, dass Bennett nun eine lange gesuchte ästhetische Form gefunden hat und die Kreativität nur so sprudelt. Ein weiterer Grund ist aber auch, dass die Arbeitsweise eine grundverschiedene ist.

Neben den Freiheiten, die das Arbeiten im Alleingang mit sich bringt, stehen die einzelnen Veröffentlichungen aber auch in einem viel engeren Zusammenhang miteinander, als das bei Whitehouse je der Fall gewesen ist. Während jedes der späten Whitehouse-Alben, trotz einiger Neuinterpretationen älterer Stücke, einen kleinen Kosmos für sich darstellte, wächst ein jedes Werk von Cut Hands aus einem oder mehreren Aspekten früherer Arbeiten heraus. Noch öfter werden ältere Stücke in leicht bearbeiteter Form neu arrangiert und kontextualisiert, viel mehr noch sind es einzelne Rhythmuspattern und Soundkomponenten, die anders zusammengesetzt oder zu Bausteinen neuer Mosaiken werden. Cut Hands ist ein fortlaufendes work in progress, das eigentlich erst dann abgeschlossen sein kann, wenn Bennett einmal ein komplett neues Projekt aus der Taufe heben sollte.

In diesem Sinne wartet „Festival of the Dead“ zunächst einmal mit Bekanntem auf – die Polyrhythmen, die auch in einfachen Momenten in mehrere Richtungen zugleich gehen, die wache Aggressivität, die sich von so ziemlich allem unterschiedet, was man üblicherweise mit “Ethno” verbindet, die unterschwellige Rauheit diverser Synthiesounds, die immer noch zeigt, dass die Wurzeln dieser Musik im Industrial und nicht in der Weltmusik liegen und nicht zuletzt das omnipräsente Gefühl, dass hier ein Freak etwas nach dem „Fake it till you make it“-Prinzip arrangiert hat und dabei auf verquere Weise doch eine echte Leidenschaft ausdrückt: All dies knüpft an die vorigen Veröffentlichungen an, und bei der Beurteilung einzelner Stücke sollte man nicht das Neue suchen, sondern eher (wie bei einem Jess Franco-Schinken oder einem Thomas Bernhard-Stück) gespannt sein, wie dieses oder jenes Motiv denn diesmal umgesetzt worden ist.

Bei einem Stück wie der Single-Auskopplung „The Claw“ kann man erahnen, wie sehr die Aggressivität später Whitehouse-Aufnahmen nur die Ausdrucksweise gewechselt hat, ohne wirklich zu verschwinden: Auf einen rauen und zugleich solide gestalteten Untergrund breitet sich ein Muster aus Rhythmen aus, die Hypnotik erzeugen, ohne Hörer und Tänzer auch nur im mindesten einzulullen. Selbstredend spielt der Track mit „Afro“-Klischees, und man mag sich fragen, wie ein versierter aftrikanischer Musker diese Musik wohl beurteilen würde. Und gleichsam schleudert der Song ein dreistes “na und?” in verschiedene Richtungen – hier gibt es weder idealisierte Weichspülexotik, noch wird das „Kulturfremde“ politisch korrekt übergangen, weil ja jeder Hinweis auf kulturelle Eigenheiten laut Benimmbuch schon eine Tendenz zur Stigmatisierung in sich tragen soll.

Afrika ist bei Bennett ein ebenso globalisiertes wie inkommensurables Terrain. Globalisiert deshalb, weil Elemente dazukommen, die sich wie die karibischen Voudoo- und Santeria-Kulte längst an anderen Orten verselbständigt haben. „Damballah 58“ und andere Tracks spielen mit solchen Referenzen, Titel und Artwork schlagen die Brücke zu Feierlichkeiten in nicht-afrikanischen Kulturen, man denke nur an den mexikanischen Día de los Muertos. Inkommensurabel deshalb, weil viele Stücke zeigen, wie irritierend afrikanische Rhthmen immer noch für westliche Ohren sein können: Takte treten auf der Stelle, wenn man es am wenigsten erwartet, immer wieder stolpert man buchstäblich über vermeintliche Unregelmäßigkeiten, die aber dennoch Methode haben, immer wieder ergänzen, begleiten, kontradizieren sich verschiedene Rhythmen auf möglichst unberechenbare Weise.

Dass die Trommeln übrigens nicht nur nach Holz und Fell klingen, sondern als metallisches Scheppern ein postapokalyptisches Flair einbringen, schließt erneut den Kreis zu Whitehouse. Wäre schön, wenn sich all das noch ein paar Jahre lang so wiederholen würde. (U.S.)

Label: Blackest Ever Black