Nie mehr Schule, nie mehr Gemüse, stattdessen Schokolade, süße Träume und ein Leben fernab all der anderen Deppen, die sowieso nur stören – wer wünscht sich das nicht ab und zu, vor allem wenn er dafür erst einmal von einer so schrägen Gangsterfrau entführt werden muss, wie sie sich in diesem Video auf Tischen und Sofas räkelt. Natürlich ist man dann, zumindest laut Karl Abraham, oral fixiert, aber das ist ebenso wie die Komplementärneurose des kidnappenden Vamps normale Härte in der Welt Fee Reegas, die seit ein paar Wochen ein neues Album draußen hat. Es liegt gleich zweimal vor, auf Deutsch unter dem Titel „Die Entführerin“, auf Spanisch als „La Raptura“.
Rekapitulation: Fee startete vor ein paar Jahren mit fragilen Akustiksongs, die man mit einigen Attributen beschreiben könnte, die mit dem Präfix „selbst“ beginnen – nicht die blöden wie selbstgerecht und selbstverliebt, aber die interessanten wie selbstentblößend und selbstironisch. Anfangs sang sie überwiegend auf Deutsch, zeitgleich zu ihrem neuentdeckten Faible fürs Spanische und Englische erweiterte sich ihr Stilrepertoire gleich in mehrfacher Hinsicht und ein erster Höhepunkt war ihr gleich in drei Sprachen vorliegendes Album „Wildheit“, das sie erstmals in üppiger Bandbesetzung einspielte und zu einem reichhaltigen Werk voller Cabaret- und Revue-Anleihen geraten ließ.
War „Wildheit“ eine Art kreativer Dammbruch, dann ist „Die Entführerin“ der Beleg, dass es danach in gerade Bahnen weiter geht und Fees neue Üppigkeit kein Strohfeuer war. Musikalisch wirkt das aktuelle Album gesetzter, etwas schwerer, vielleicht melancholischer, und auch wenn das Cover hier das Gegenteil suggerieren mag ist der aufgeweckte Vintagestil durch einen erdigeren Sound ersetzt, der (stellenweise fast an ihre Kollaboration mit The Dead Hands erinnernd) mit Shoegaze und dezenten Rock-Elementen aufwartet.
All das Solide betrifft aber primär den Sound, denn Gesang und Texte zeigen schnell, dass das Reega’sche Psychokabinett nach wie vor auf Hochtouren läuft. Ob die eingangs erwähnte Entführerin dem „verlorenen Kind ohne Mutter“ das Paradis verspricht und selbst gegen Ende wie eine zittrig jaulende Sirene im Wahn verpufft, ob die geprügelte Gattin ihrem schweren Trinker mit Schmollmund alle Sünden vergibt und dabei klingt, als zitiere sie einen angestaubte Ratgeber – diese Momente, bei denen alle Fragen nach dem Verhältnis von Ernst und Augenzwinkern unbeantwortet bleiben müssen, sind ihre stärksten und typischsten. Das Lied von den blutleckenden Hunden wirkt fast wie ein launiger Kommentar dazu.
Würde sie das auf Albumlänge durchhalten, wäre man schnell beim Klamauk und noch schneller bei der Übersättigung angelangt, doch Fee weiß all dies gut zu dosieren, weshalb das Album auch Songs enthält, die durch weniger irritierendes, doch ebenso einfühlsames Songwriting überzeugen. (U.S.)